- Einleitung
Im fünften Kapitel seines möglicherweise bis dato ehrgeizigsten und wichtigsten Werkes, A Philosophy of Mass Art, beschäftigt sich der amerikanische Philosoph und Filmwissenschaftler Noël Carroll mit dem gerade in unseren vom steten Aufstieg der sogenannten New Christian Right (neuen christlichen Rechte) geprägten Zeiten politisch besonders hoch beladenen Spannungsfeld zwischen der Massenkunst (mass art) und der Moral (morality). Dabei geht es ihm darum, zu untersuchen, inwiefern Massenkunst mithilfe ethischer und moralischer Begriffe erfasst werden kann bzw. soll, wie das die überwiegende Mehrheit aller –nicht nur akademischen– KommentatorInnen der mass art, in (meistens wohl unbewusster) Anlehnung an Plato, heutzutage tut[1].
Bereits in der Einleitung zu diesem Kapitel stimmt Carroll allerdings dieser Mehrheitseinstellung zu, nämlich dass Massenkunst mit der Moral und mit der moralischen „Bildung“ (education) ihrer KonsumentInnen eng verbunden ist und deshalb durchaus ethisch angenähert werden kann. Er behauptet sogar, dass er diese Sichtweise für „self-evident“ halte. In einer Wendung aber, die für den erfahrenen Carroll-Leser nicht überraschend ist, beschwert er sich darüber, dass die theoretischen Fragen, die aus dieser grundlegenden Erkenntnis entstehen, in der Medienforschung nur ungenügend, wenn überhaupt, behandelt worden sind. Er bedauert insbesondere das Fehlen zuverlässiger Analysen der genauen Beziehung zwischen Massenkunst und Moral; wie er schreibt, „they [die dafür zuständigen Akademiker] presume the possibility of the moral criticism of mass art without demonstrating its foundations“[2].
Damit meint Carroll freilich nicht, dass es noch gar keine Ansichten oder Theorien darüber gäbe, sondern lediglich, dass all die meist verbreiteten unter den existierenden Ideen dazu fehler- und mangelhaft und deshalb letztlich untauglich für die ernshafte Auseinandersetzung mit einem so komplexen Thema sind. Nichtsdestotrotz besteht er darauf, die drei seiner Meinung nach rekurrierendsten und einflussreichsten theoretischen Rahmen, in denen über den Zusammenhang zwischen Massenkust und Moral diskutiert oder nachgedacht wird, näher zu betrachten und, auf typische Carroll-Fasson, argumentativ zu demolieren, um „dialektisch“ seinen eigenen Vorschlag zur moralischen Massenkunstkritik verfeinern und dann besser voranbringen zu können[3].
Die drei oben erwähnten „Ideen“, die immer wieder als Basis für die Debatte über Massenkunst und Moral dienen, und die er ausdrücklich rein analytisch trennt (denn sie kommen so gut wie immer in einer zweier oder dreier Konstellation vor), nennt Carroll consequentialism –den Glauben daran, dass Massenkunst kausale Folgen hat, die vorausgesagt werden können–, propositionalism –den Glauben daran, dass Massenkunst moralisch positive oder negative „Behauptungen“ (propositions) enthält, die durch ihre Darstellung möglicherweise gefördert werden– und identificationism –den Glauben daran, dass die Ideen, Emotionen und Aktionen der fiktiven Charaktere der Massenkunst durch einen Identifikationsprozess zu denen der KonsumentInnen der Massenkunst werden–.
Die vorliegende Arbeit kann in letzter Instanz als ein bloßer Versuch gesehen werden, Carrolls Position bezüglich dieser oben kurz ausgeführten „Ideen“ darzulegen, was ich im nächsten Abschnitt dieses Textes tun werde. Ich schreibe aber bewusst „in letzter Instanz“, weil ich auch vorhabe, diese Argumente anschließend etwas konkreter den Meinungen einer führenden amerikanischen Theoretikerin (in der Tat einer der wenigen GelehrtInnen, die von Carroll in diesem ersten Teil des Kapitels überhaupt namentlich erwähnt werden) gegenüber zu stellen, nämlich den Meinungen der feministischen Antipornographie-Aktivistin Andrea Dworkin, insbesondere den theoretisch wohl längst überholten aber in den westlichen Industriegesellschaften schon fest sedimentierten Argumenten ihres „Standardwerkes“ PorNOgraphie – Männer beherrschen Frauen[4].
Was ich damit beabsichtige, dass ich Carrolls Einwände gegen die herkömmliche Herangehensweise der moralischen KritikerInnen der Massenkunst explizit anhand des Beispiels der gedanklichen Fehler intellektueller antipornographischer Strömungen darstelle, ist erstens, aufzuzeigen, wie richtig Carroll (und wie grundsätzlich falsch Dworkin) liegt, aber auch zweitens festzustellen, ob mein Verdacht gerechtfertigt ist, dass Carrolls Kritik, wahrscheinlich aufgrund seiner berühmten aber manchmal etwas starren Methode der Erörterung, womöglich zu kurz greift und wesentliche Aspekte der Weltanschauung Dworkins (bzw. anderer antipornographischer VerfasserInnen) völlig unbeantwortet lässt.
Bevor ich nun anfange, auf Carrolls Gedankengänge näher einzugehen, muss ich vielleicht kurz erklären, warum ich mich überhaupt für dieses Thema entschieden habe. Die leichte Antwort wäre natürlich, dass Carroll selbst in seinem Text die Debatte um die Pornographie ansatzweise behandelt und, um präziser zu sein, die anti-pornographischen Argumente als ziemlich klassisch consequentialist / propositionalist bezeichnet[5]. Zudem ist aber Pornographie ein besonders extremes Beispiel eines marginalisierten und gesellschaftlich wenig anerkannten Genres, und zwar genau deshalb, weil es Konsens ist, zu denken, dass sie moralisch verwerflich ist – nicht zuletzt aufgrund des Einflusses der theoretischen Rahmen, die Carroll beschreibt und kritisiert, und die vor allem in den letzten 25 Jahren so populär geworden sind.
Schließlich finde ich es wichtig, reaktionäre Argumente, die sich als liberal verkleiden, wie die Dworkins, so konsequent wie möglich zu bekämpfen – die sind einfach zu gefährlich, um sie teilweise unbeachtet zu lassen, was Carroll (und –ich wiederhole– darum geht es in dieser Arbeit auch) vertretbarerweise macht.
- Carroll und der consequentialism
Auf die Gefahr hin, das zu wiederholen, was ich in der Einleitung bereits geschrieben habe, will ich nun versuchen, etwas genauere Definitionen der drei vorherrschenden „Ideen“ über Massenkunst und Moral auf der Basis von Carrolls Überlegungen und Kritik zu erarbeiten. Consequentialism[6] ist also der Glaube daran, dass Massenkunstwerke kausale Folgen bei ihren KonsumentInnen haben, die moralisch belegt sind – mit anderen Worten, dass das Konsum von Massenkunst zu Verhaltensweisen und Taten führt, die es ohne die „Handlungsanleitung“ der jeweiligen Massenkunstwerke so nicht gegeben hätte. Darüber hinaus glaubt der consequentialist daran, dass die Folgen des Konsums von Massenkunstprodukten mehr oder weniger genau vorausgesagt werden können, und dass die ethische und moralische Stellungnahme zu einem beliebigen Massenkunstwerk eben den ethischen und moralischen Wert der Folgen dieses Werkes als Grundlage haben soll: Filme zum Beispiel, die gewalttätig bzw. gewaltverherrlichend sind, verleiten laut dieser Argumentationslinie ihre ZuschauerInnen dazu, zumindest ansatzweise gewalttätig zu werden bzw. Gewalt in der echten Welt zu tolerieren. Da aggressive Gewalt gemeinhin als moralisch übel eingestuft wird, liegt es auf der Hand, dass Filme, von denen man annimmt, dass sie zu einer Zunahme aggressiver Gewalt in der Welt führen, auch als moralisch übel einzustufen sind.
Obwohl Carroll selbst schreibt, dass „anyone but the most vociferous sceptic has to admit that there is some evidence in favour of consequentialism“[7], sieht er derartige wesentliche Mängel in dieser Sichtweise, dass er sie als umfassende Theorie für die Untersuchung des Zusammenhangs zwischen Massenkunst und Moral einfach disqualifizieren muss. Das Hauptproblem des consequentialism ist für ihn nämlich, dass wir schlicht so gut wie gar nichts über die Folgen des Konsums von Massenkunst (oder von Kunst im Allgemeinen) wissen, so dass das, was öfter als „knowledge of the suppossed behavioural consequences of mass art“ dargestellt wird, eher aus Spekulationen besteht, mit denen versucht wird, a priori „moral evaluations“ von Massenkunstwerken als wissenschaftlich bedingte und belegte Präventivmaßnahmen zu rechtfertigen[8].
Tatsächlich sind für Carroll die Forschungsergebnisse des Gros –oder sogar der Totalität– der Studien über die Folgen des Konsums von Massenkunst auf das menschliche Verhalten entweder anekdotisch oder zu allgemein oder letztlich trivial und nichtssagend: Wenn es beispielsweise belegt werden kann, dass gewisse Kinder dazu neigen, Puppen zu verprügeln, nachdem sie gewalttätigen Zeichentrickfilmen ausgesetzt worden sind, ist das im besten Fall eine interessante und nicht ausschlaggebende Information, denn, „after all, the children are attacking dolls, dolls that are okay to hit. The children are not attacking people“[9]. Die Mörder von der Littleton Schule waren bekanntlich leidenschaftliche Konsumenten (unter anderem) gewalttätiger Videospiele, und hörten gerne (aber nicht ausschließlich) Marilyn Mansons Musik. Millionen Menschen, die auch beides machen, sind bis heute keinem als Mörder, und nicht mal als tendenziell gewalttätige Menschen, aufgefallen[10].
Ein weiterer Einspruch Carrolls gegen den consequentialism ist, dass Menschen, die auf dieser Grundlage argumentieren, häufiger übersehen, dass die verschiedenen Verhaltensweisen in der Massenkunst meistens als schon „morally marked“ dargestellt werden, d. h., dass moralisch verwerfliche Taten in der Regel als verwerflich dargestellt werden und moralisch gerechtfertigte Taten als gerechtfertigt[11]. Überdies gibt Carroll zu bedenken (und das ist ein meines Erachtens entscheidender Vorbehalt, der den immanent antidemokratischen Charakter des consequentialism entlarvt und bei der späteren Auseinandersetzung mit Dworkins Argumenten in der vorliegenden Arbeit von Bedeutung sein wird), dass der consequentialist dazu neigt, zu vergessen, dass die RezipientInnen der Massenkunst nicht unbedingt blöd und sicherlich meistens in der Lage sind, wenigstens grob zwischen Realität und Fiktion zu unterscheiden:
„[…] since mass fictions present activities […] internally contextualized in morally motivated ways and externally contextualized as fictional, one would suspect that there are enough brakes on what is represented to prevent the eruption into everyday life of copycat behavior from the direction of normal viewers, listeners, and readers“[12].
- Carroll und der propositionalism
Während der consequentialism davon ausgeht, dass Massenkunst ziemlich genau voraussehbare moralische Folgen hat, bietet der propositionalism eine Art Erklärung dafür, dass diese kausalen Folgen überhaupt stattfinden können. Der propositionalist glaubt nämlich daran, dass Massenkunstwerke entweder implizit oder explizit „Behauptungen“ beinhalten, die moralisch oder eben unmoralisch sein können, und die oft –aber nicht notwendigerweise immer– in der Form von Maximen dargestellt werden[13]. Indem sie Maxime oder moralische Behauptungen transportieren und einem größeren (massiven) Publikum zugänglich machen, erfüllen diese Massenkunstwerke eine Funktion, die sonst traditionell der Wissenschaft und dem Schulsystem vorbehalten gewesen ist, nämlich die Funktion, unzählige Menschen moralisch und anderswie zu „bilden“. Diese Position wird von Carroll folgendermaßen zusammengefasst: „Art provides us with moral principles which we can test by observation and experience. Art can initiate moral discoveries“[14].
Es ist wahrscheinlich nicht nötig zu betonen, dass der propositionalist leicht den Schluss ziehen kann, dass „selbstverständlich“ nur jene Werke, die moralisch positive Behauptungen beinhalten, transportieren, popularisieren und diese ihren Konsumenten beibringen, als ethisch positiv und makellos bezeichnet werden können, und dass diejenigen, die tatsächlich oder vermeintlich negative Behauptungen in die Welt setzen, eben schon aufgrund dieser Behauptungen moralisch scharf zu verurteilen sind[15].
Auf den ersten Blick scheint diese Sicht der Dinge verantwortlich und sogar vielleicht vernünftig und unumstritten zu sein, und Carroll macht ausdrücklich klar, dass die Aussage, dass Massenkunstwerke moralische Behauptungen (propositions) beinhalten oder implizieren können –und das sogar oft tun–, völlig einwandsfrei ist[16]. Für ihn ist jedoch der Begriff „Bildung“ (education) in diesem Kontext nicht nur schwierig, sondern durchaus irreführend: Er bezweifelt, dass die Rezipienten der Massenkunst von den Werken, die sie konsumieren, wirklich „erzogen“ werden, d. h., dass sie aus diesen Werken tatsächlich neue, interessante und informative Erkenntnisse ableiten könnten. Die Behauptungen, um die es in der Massenkunst geht, sind Carrolls Meinung nach vielmehr Binsenwahreheiten (truisms), die den KonsumentInnen der Massenkunst nicht nur bereits vor dem Kontakt mit dem jeweiligen Kunstwerk bestens bekannt sind, sondern deren a priori Kenntnis sogar eine Voraussetzung dafür ist, dass diese Kunstwerke überhaupt sinnvoll rezipiert, gelesen oder verstanden werden können[17]. Die direkte und einfache Kausalität, die vom propositionalism implizit angenommen wird, bleibt also eine nicht belegte und möglicherweise willkürliche Annahme.
Bei Behauptungen moralischer Art[18] hört sich dies alles besonders stimmig an, zumindest dann, wenn man sich den Carrollschen Begriff der Massenkunst vor Augen hält, der nämlich besagt, dass diese Kunst per Definition möglichst allgemein zugänglich sein muss, um ihren eigenen Charakter von „Massen“kunst eben nicht zu verlieren[19]. Das soll dennoch nicht heißen, dass es keine Ausnahmen davon oder historisch situierte Brüche damit geben kann[20], sondern lediglich, dass der propositionalism –genauso wenig wie der consequentialism– nicht ernsthaft als ein allumfassender Rahmen für die Diskussion des Themenkomplexes Massenkunst/Moral betrachtet werden kann, denn „at best, the propositionalist has identified a possible relation of morality to art, but a far from comprehensive one – indeed, perhaps an unusual one“[21].
- Carroll und der identificationism
Wie wir gesehen haben, versuchen die propositionalists die Art und Weise zu erklären, wie Massenkunstwerke durch die Verbreitung von Glaubensartikeln, Erkenntnissen und Behauptungen die moralischen Ideen –und womöglich auch die moralischen oder ethisch beurteilbaren Taten– ihrer KonsumentInnen verändern oder verändern können. In der Theorie, die Carroll identificationism nennt, und die er –ähnlich wie der consequentialism– auf die Werke Platos zurückführt[22], spielen die Emotionen eine viel bedeutendere, wenn auch keine exklusive Rolle, weil die Verfechter dieser intellektuellen Strömung davon überzeugt sind, dass die Massenkunst-konsumentInnen durch einen Identifikationsprozess die Emotionen –und darüber hinaus, oder in einer leicht unterschiedlichen Version, auch die Ideen und Werte, „[the] spirit and nature“[23]– der fiktiven Figuren der jeweiligen Massenkunstwerke annehmen. Sollten diese Emotionen „moralisch verdächtig“ sein, ist es klar, dass das Werk, welches ermöglicht, dass potentiell unzählige Menschen sich mit solchen „verdächtigen“ Emotionen identifizieren, aus der Sicht eines identificationist nur als moralisch verwerflich bezeichnet werden kann[24]. Doch diese Theorie ist, in Carrolls eigenen Worten, „in almost all its details […] wrong“[25].
Dies hat nicht lediglich damit zu tun, dass der gängige Identifikationsbegriff viel zu eng ist, um die komplexen Interaktionen, die zwischen Kunst –inklusive Massenkunst– und ihren KonsumentInnen zustande kommen, annähernd systematisch und funktionell, geschweige denn genau, zu beschreiben[26]. Laut Carroll ist der identificationism aus ähnlichen Gründen wie der propositionalism unfähig, die Beziehungen zwischen Massenkunst und Moral zu erklären sowie genaue Kriterien vorzulegen, nach denen einzelne Kunstwerke auf moralischer Basis kritisiert werden können, und zwar deshalb, weil die Kausalitätsprozesse und die Richtung, in denen diese Prozesse –wenn überhaupt– stattfinden, in beiden Theorien von ihren Vertretern nicht rigoros analysiert bzw. letztlich willkürlich festgelegt werden.
So erklärt Carroll, dass selbst wenn –nur der Debatte wegen– angenommen werden sollte, dass es tatsächlich so etwas wie „Identifikation“ mit den Figuren eines Kunstwerkes geben könnte, man dann auch voraussetzen müsste, dass bei den KonsumentInnen dieses Kunstwerkes gewisse moralische Glaubensartikel, gewisse moralische Ideen und gewisse ethisch beurteilbare Emotionen von vornherein vorhanden sind. Genauso wie oben im Fall des propositionalism wäre das Kunstwerk ohne diese bei den KonsumentInnen schon vorhandenen Emotionen, Glaubensartikel und Ideen nicht einmal ethisch lesbar oder konsumierbar. Sicherlich könnte unter solchen Bedingungen eines moralisch nicht zu verstehenden Textes von einer „Identifikation“ mit den moralisch „richtigen“ bzw. „nicht richtigen“ Aspekten der Charaktere nicht die Rede sein[27]. Mehr noch: Die Tatsache an sich, dass stillschweigend davon ausgegangen wird, dass die KonsumentInnen von Massenkunstwerken sich nur mit einigen und eben nicht mit allen fiktiven Figuren identifizieren sollen (in der Regel mit „den Guten“ oder mit den Protagonisten, die fast immer im fiktiven Kontext irgendwie „die Guten“ sind), ist ein Indiz dafür, dass moralische Ideen und Emotionen von den KonsumentInnen der Massenkunst nicht bloß aufgesaugt und viel weniger automatisch nachgeahmt werden, sondern eher diesen KonsumentInnen bereits immanent sind und in Hinsicht auf das allgemeine Verständnis der Massenkunst sowie auf die Fähigkeit der Menschen, schon während des Konsums der Massenkunst moralisch unter deren Figuren zu unterscheiden, sogar immanent sein müssen[28].
Zusammenfassend lässt sich behaupten, dass der identificationism das gar nicht erklärt, was er erklären soll, nämlich wie der von ihm postulierte Identifikationsprozess funktioniert, der auch noch den einseitigen Transport moralischer Ideen und Emotionen beinhalten soll. Stattdessen zeigen die Widersprüche des identificationism erneut, dass die Existenz einer festen Kausalität, wie sie in den drei oben analysierten Sichtweisen implizit angenommen wird, im besten Fall fragwürdig und im schlimmsten schlicht unhaltbar ist. Wie Carroll schlussfolgert,
„if with respect to morality, the sign of identification is moral endorsement of the character, then identification cannot be what causes moral endorsement. […] If anything, the audience endorses those characters who evince moral properties and principled commitments that the audience already shares with the character. Therefore, the identificationist has, in fact, reversed the order of explanation here“[29].
- Pornographie und wie Andrea Dworkin sie sah
Die Argumente pornophober Feministinnen wie Andrea Dworkin, Catherine McKinnon oder Robin Morgan –um nur drei der bekanntesten Vertreterinnen dieser intellektuellen Tendenz zu erwähnen– sind, fast 30 Jahre nach dem Beginn ihrer systematischen Formulierung und wie in der Einleitung zur vorliegenden Arbeit bereits geschrieben, schon längst zu einem festen Bestandteil des heutigen westlichen Diskurses über Sex und über die (künstlerische) Darstellung sexueller Aktivitäten und Beziehungen geworden[30]. Zwar sind diese Argumente im akademischen und politischen Rahmen alles andere als völlig unumstritten: Die Kritik an dem Essenzialismus beispielsweise, auf dem diese Art des Feminismus basiert, scheint an sich schon auf dem Weg zu sein, wenn nicht hegemonial dann wenigstens so einflussreich zu werden, dass die Thesen dieser „alten“ Feministinnen in unserer Zeit nicht ohne weiteres akzeptiert werden können; der eher „liberale“ Flügel des Feminismus ist außerdem aufgrund der sex wars der 80er Jahre ebenso gewachsen und spätestens seit Anfang der 90er nicht vom Tisch wegzudenken[31]. Darüber hinaus kann auch nicht behauptet werden, dass die Kriterien und (Vor)Urteile, die von der Antipornographie-Strömung des Feminismus mobilisiert wurden und werden, grundsätzlich neu oder originell seien: Sie greifen vielmehr auf traditionelle, durchaus „patriarchalische“ Ansichten und Vorstellungen über Obszönität, Zügellosigkeit, Geschlechterrollen und Moral zurück.
Das Meisterstück der pornophoben MilitantInnen[32] ist es dennoch gewesen, die scharfe Verurteilung sexueller Darstellungen neu zu begründen und auf diese Weise für „freiheitliche“ Gesellschaften wie unsere schmackhaft zu machen; angeblich geht es nämlich bei dieser Antipornographie-Kampagne nicht mehr um den Kampf gegen vermeintliche Sünden oder um die Verteidigung einer obsoleten Prüderie viktorianischer Art, sondern um den aufklärerischen, emanzipatorischen, ja sogar „revolutionären“ Widerstand gegen die inakzeptable Unterdrückung der Frauen durch die Männer in einem frauenfeindlichen sozialen System.
Um diese bedeutende diskursive Verschiebung zu erreichen, musste der Antipornographie-Feminismus à la Dworkin[33] sich erstens von der besagten Prüderie distanzieren, und zweitens zeigen, dass das Problem bei der Pornographie kein ästhetisches ist, sondern eben mit dem der Gewalt gegen eine Hälfte der Menschheit gleichgesetzt werden soll. Ersteres tut Dworkin schon im Vorwort zu ihrem hier zu behandelnden Buch, indem sie schreibt, dass es ihr eben „nicht um Obszönität“ geht, da diese lediglich „eine Idee“ ist, wogegen Pornographie „konkret“ ist, „die schriftliche und bildliche Darstellung von Huren“[34].
Zweiteres geschieht nicht durch die etwaige Übernahme der Thesen eines einfachen consequentialism, wie Carroll diese darlegt, sondern eher durch eine –nicht nur meiner Meinung nach– geradezu fanatische Radikalisierung der Annahmen des propositionalism: Dworkin ist nicht vordergründig über die Folgen der Pornographie im Sinne von einem möglicherweise veränderten (also gewalttätigen oder frauenverachtenden) Verhalten ihrer Konsumenten besorgt, sondern um den Inhalt und um die von ihr festgestellten Behauptungen der Pornographie an sich, deren Bestandteile sie wie folgt zusammenfasst:
„dargebotene Frauenkörper, kauernde, ausgebreitete, aufgehängte, gedehnte, gefesselte und zerschnittene Frauen […] Gruppenvergewaltigung, Paarvergewaltigung, Vergewaltigung von Frauen durch Männer, lesbische Vergewaltigung, Vergewaltigung von Frauen durch Tiere, Herausreißen von Eingeweiden, Folter, Penetration, Exkremente, Urin und schlechte Prosa“[35].
Für Dworkin ist also die Pornographie per se ein Synonym der Gewalt gegen Frauen, weil sie Frauen degradiert und als „Huren“ behandelt – darauf beruht ja ihr Charakter als Pornographie. Sie führt nicht dazu, dass schlimme Gewalttaten in der Realität von ihren verwirrten Konsumenten durchgeführt werden; sie, ihre Produktion und ihr Konsum sind an sich schon die schlimme, gewalttätige Realität: „Ein Säbel, der in eine Vagina eindringt, ist eine Waffe, genau wie die Kamera oder der Stift, die ihn sichtbar machen“[36]. In der Tat schafft sie jede denkbare Grenze zwischen Realität und Fiktion, zwischen Ereignis und Darstellung, ab:
„Die in der Pornographie dargestellte Gewalt ist objektiv und real, weil Frauen dazu gezwungen werden. […] Die in der Pornographie systematisch und durchgängig verwendete Definition von Frauen ist insofern objektiv und real, als reale Frauen innerhalb der Grenzen dieser Definition existieren und unter ständiger Bezugnahme darauf leben müssen“[37].
Es ist hauptsächlich aus diesem Grund, nämlich weil sie die Pornographie als tatsächliche, reale Gewalt definiert, die mit den Kriterien, die wir für die Analyse und Wertung von fiktiven Texten anwenden, nicht einmal annähernd gefasst werden kann, dass Dworkin sich gegen die Verbreitung von Werken dieser Gattung setzt, und nicht aufgrund irgendwelcher empirisch schwer zu belegenden Folgen ihres Konsums.
Dies heißt aber nicht –und darum schrieb ich das Wort „hauptsächlich“ im vorigen Absatz–, dass ihre Theorie nicht doch einen, wenn auch relativ kleinen, consequentialist Kern besäße, behauptet sie doch, dass Männer[38] nicht glauben, „daß Vergewaltigung oder Schläge Verletzungen weiblichen Willens sind, unter anderem deswegen, weil einflußreiche Männer seit Jahrhunderten in der privaten Männerwelt Pornographie konsumieren“[39]. Gegen diesen bösen, moralisch durchaus zu verurteilenden (vermuteten) Einfluss scheint allerdings seitens der „Männer“ kein Widerstand möglich zu sein: „Frauen glauben nicht, daß Männer glauben, was die Pornographie über Frauen sagt. Aber Männer glauben es. Von den schlechtesten bis zu den besten unter ihnen, sie glauben es“[40]. Eine andere Passage, die klar macht, dass Pornographie ihrer Meinung nach nicht lediglich die Unterdrückung der Frau darstellt (was an sich als umfassende These alles andere als unumstritten wäre), sondern Unterdrückung ist und auch noch verursacht, ist folgende: „Die in der Pornographie dargestellte und ursächlich mit ihr verbundene Herabsetzung der Frauen ist objektiv und real, weil Frauen so benützt werden“[41].
Liest man diese Textstellen, wird einem klar, wie wenig verwunderlich es ist, dass sie die consequentialist Gedankengänge eher nur beiläufig erwähnt, womit sie sich wenigstens der Kritik an den Argumentationsmustern des consequentialism nicht schuldig macht: „Männer“ können nämlich in ihrer Weltanschauung anscheinend nicht von der Massenkunst zur Gewalt gegen Frauen geleitet werden, weil die Gewalt gegen Frauen konstitutiv für „Männer“ ist, weil sie qua „Männer“ notwendigerweise Gewalt gegen Frauen ausüben müssen: „Männer unterscheiden sich von Frauen durch ihre Neigung, lieber Gewalt anzuwenden als deren Opfer zu werden“[42]. Dies beruht schließlich nicht auf kulturellen Einflüssen oder Konventionen –darum die relative Unwichtigkeit, bei Dworkin, der Pornographie als historisierbares Genre oder als mediales Ereignis–, sondern auf „natürlichen“ oder wenigstens „biologischen“ Eigenschaften: So wird der Penis, wie in einem Zitat oben schon geschehen, ständig mit Waffen verglichen[43], der Geschlechtsverkehr an sich mit einem zwangsweise gewalttätigen Akt oder mit einer militärischen Okkupation[44]. Am weitesten geht Dworkin diesbezüglich freilich erst in ihrem etwas späteren –und für viele Feministinnen auch kanonischen– Buch Geschlechtsverkehr, in dem sie folgendes schreibt:
„Geschlechtsverkehr ist die besondere Wirklichkeit von Frauen als untergeordneter Klasse […] Die politische Bedeutung von Geschlechtsverkehr für Frauen ist die entscheidende Frage von Feminismus und Freiheit: Kann ein besetztes Volk –physisch von innen besetzt, von innen eingenommen– frei sein; […] können Menschen, die über keine biologisch begründete körperliche Unverletzlichkeit verfügen, Selbstachtung besitzen?“[45]
Schließlich lässt sich sagen, dass der Bezug zwischen dem Dworkinschen Ansatz und der von Carroll identificationism genannten Medientheorie ein impliziter ist: Es wird nie ausdrücklich im Buch behauptet, dass ein Identifikationsprozess stattfände, dieser Identifikationsprozess wird allerdings vorausgesetzt. Es handelt sich sogar um eine stärkere Identifikation als die, die von Carroll beschrieben und begrifflich kritisiert wird, denn es wird davon ausgegangen, dass die Konsumenten der Pornographie nicht nur die Emotionen und Ideen der Protagonisten übernehmen, sondern auch den Protagonistinnen Gewalt antun, indem sie eben Pornographie konsumieren. Die Konsumenten (in der Theorie Dworkins –es kann nicht genug betont werden– ausschließlich Männer oder höchstens Frauen, die aufgrund ihres „falschen Bewusstseins“ mit dem Patriarchat kooperieren[46]) sind also ebenso Täter wie die (männlichen) Produzenten und Darsteller, während die Frauen, die „jahrhundertelang keinen Zutritt zur Pornographie hatten und heute den Anblick des Drecks in den Regalen der Supermärkte nicht ertragen“[47], genauso in die Opferrolle geschoben werden, die den Darstellerinnen der Pornographie (und übrigens auch den Prostituierten, da der Pornographie-Begriff für Dworkin sich auf die Darstellung von Huren reduzieren lässt) „ohnehin“ zusteht[48].
Die Basis dieses theoretischen Gebildes ist aber noch dünner als die des gängigeren identificationism, denn bei letzterem wird bloß unkritisch vorausgesetzt, dass die KonsumentInnen sich tendenziell mit den ProtagonistInnen eines Massenkunstwerkes identifizieren. Bei Dworkin ist aber eine Identifikation über die von ihr selbst als natürlich gegebenen dargestellten Geschlechtergrenzen schlicht unmöglich. Die Männer, die Pornographie konsumieren, können sich für Dworkin nur mit den Männern innerhalb des pornographischen Diskurses (mit Vergewaltigern also, Dworkin dixit) identifizieren, und tun es. Frauen können bzw. sollen dagegen Pornographie nur als schädlich empfinden, denn die weiblichen Darstellerinnen werden in ihr malträtiert – unabhängig davon, welche Rolle sie in der jeweiligen Fiktion spielen oder was ihre Motivationen für die Teilnahme an dem jeweiligen Werk sein könnten oder was die Menschen, die das jeweilige Werk konsumieren, dazu sagen[49]. Dass diese Konzeption eines an sich schwer –wenn überhaupt– nachweisbaren Identifikationsprozesses zwischen KonsumentInnen von Massenkunst und fiktiven Charakteren entweder naïv oder an den Haaren herbeigezogen ist, wird nicht nur bei der Lektüre ausdifferenzierterer Theorien klar, die (auch wenn sie die von Carroll beschriebenen Probleme des identificationism bis zu einem gewissen Punkt teilen) gender-crossing als eine durchaus mögliche, und sogar gar nicht so seltene, Variante der Identifikation konstruieren[50], nein. Es ist darüber hinaus für jeden Menschen, der sich tatsächlich mit der breiten Vielfalt des pornographischen Genres halbwegs auskennt und von schwuler Pornographie bis hin zur queeren Pornographie über regelrechte Filmklassiker der heterosexuellen Pornographie wie Deep Throat oder The Opening of Misty Beethoven gesehen hat, nur als eine tendenziöse, überholte, ja sogar lächerliche Aussage zu bezeichnen.
- Carrolls Kritik an Dworkin – and beyond
Bereits in der Einleitung zu der vorliegenden Arbeit behauptete ich, dass Carroll, indem er die Mängel des consequentialism, des propositionalism und des identificationism anprangert, die Positionen der pornophoben FeministInnen zumindest implizit (beim consequentialism und propositionalism eher ausdrücklich) kritisiert und als unhaltbar entpuppt. Wenn wir so gut wie gar nichts über die Folgen des Konsums der Massenkunst wissen, können wir auch nicht belegen, dass die Folgen des Konsums der Pornographie ausschließlich negativ sein müssen. Robin Morgans überzeichnete These ist dadurch schlicht und einfach empirisch falsch. Wenn der Massenkunstkonsum nicht ohne weiteres als ein Bildungsprozess zu beschreiben ist und man deshalb selbst bei der Pornographie höchstens von einer Wiederholung von schon existierenden (un)moralischen Inhalten sprechen kann, dann kann die Pornographie, qua Massenkunst, in letzter Instanz nicht Schuld für die Existenz dieser Inhalte oder Behauptungen sein. Wenn schließlich das, was zwischen KonsumentInnen und fiktiven Charakteren stattfindet nicht wirklich eine Identifikation ist, sondern eine viel komplexere und noch nicht einmal annähernd zufriedenstellend analysierte Beziehung, dann ist es verkehrt, a priori davon auszugehen, dass es eine besondere Verbindung, die auch noch zusätzlich entlang gender-Linien verläuft, zwischen den KonsumentInnen und den ProtagonistInnen der pornographischen Artefakten geben muss.
Es ist allerdings so, dass diese zumeist implizite Kritik meiner Meinung nach bei dem konkreten Genre, um das es in dieser Arbeit geht, und gerade bei den Argumenten Dworkins und anderer TheoretikerInnen, nicht nur zu kurz greift, sondern vielleicht sogar leicht am Thema vorbei geht. Freilich ist Carrolls A Philosophy of Mass Art, selbst wenn man seinen Blick nur auf das Kapitel über Moral und Massenkunst fokussiert, weder eine spezielle Abhandlung über Pornographie noch eine erschöpfende Kritik aller denkbaren massenkustfeindlichen, geschweige denn pornophoben, Positionen. In der Tat, Carrolls Methode zielt darauf hin, mehr oder weniger repräsentative philosophische Massenkunsttheorien auf ihre umfassende Stimmigkeit hin zu untersuchen (denn diese Theorien erheben in der Regel selber den Anspruch umfassend zu sein), um sie dann, nach dem Aufdecken einzelner (und nicht all der möglicherweise existierenden) philosophischer Argumentations- oder Begrifflichkeits-probleme in ihnen, im besten Fall als eben nicht umfassend genug, im schlimmsten als intellektuell völlig überflüssig, zu erklären. Meines Erachtens geht er bei dem Beispiel, um das es in dieser Hausarbeit geht, nichtsdestotrotz etwas zu lax vor. Dies möchte ich nun in den folgenden Absätzen erläutern, indem ich auf vier weitere Probleme der Dworkschen Theorie –und sei es nur kurz und in Form von „Ausblicken“– hinweise.
Erstens ist Dworkin dafür, dass die Verbreitung von Pornographie, so wie sie sie versteht, mithilfe juristischer Mittel eingedämmt und womöglich ganz zensiert und ausgelöscht wird[51]. Wenngleich sie diese legale und verfassungsrechtliche Frage in dem Buch, mit dem wir uns hier befassen, relativ unberührt lässt, erwähne ich diese Tatsache, weil Carroll erkennt, dass es bei den pornophoben Feministinnen (bzw. bei den consequentialists) generell diese Pro-Zensur-Tendenz gibt[52]. Leider kommt er zu dem Schluss, dass er sich auch für staatliche Zensur aussprechen würde, sollte es empirisch bewiesen werden können, dass die Folgen des Konsums von Massenkunst „schädlich“ sind. Das wird damit entkräftigt, dass es sich um ein großes „wenn“ handelt („a big if“ – er macht tatsächlich sehr klar, dass es im Moment gar nicht so aussieht, als ob das der Fall sein könnte); außerdem mag sein Festhalten an der letztlichen „Objektivität“ solcher Kriterien und Kategorien wie „Schädlichkeit“ oder „Reaktionen auf Massenkunst“ mit seiner allgemein bekannten Vorliebe für die „kognitiven“ Medienwissenschaften zusammenhängen. Darüber hinaus verrät es aber auch einen Glauben an die Neutralität des Staates, einen Glauben also, der bei einem Menschen wie Carroll, der alles hinterfragt, etwas überraschend klingt, und den er letztlich mit einer Dworkin (deren Position noch widersprüchlicher ist, denn sie gibt vor, gegen die Macht der Männer und für die Rechte der Frauen Hand in Hand mit der staatlichen Gewalt zu kämpfen, einer Gewalt, die nicht nur für FeministInnen eher patriarchatsstabilisierend konnotiert ist) teilt.
Ferner, und grundsätzlicher, führt der „alt“-feministische Essenzialismus Dworkin dazu, jenseits von der Dychotomie „männlich/weiblich“ die Existenz anderer Differenz- und Unterdrückungsachse (hetero-/homosexuell, weiß/schwarz, reich/arm, um nur ganz wenige der meist bekannten zu nennen) weitgehend zu übersehen. Im Hinblick auf die Pornographie sind diese weiteren sozialen Trennungsmechanismen jedoch ungemein wichtig, nicht zuletzt deshalb, weil es so viele Gattungssparten wie sexuelle Orientierungen gibt. Wo sie diese anderen Sparten überhaupt erwähnt, tut sie das auf eine nicht lediglich undifferenzierte, sondern regelrecht feindliche und offensichtlich ignorante Art und Weise: „Die männliche homosexuelle Kultur verwendet dauernd das symbolisch Weibliche – den Mann in Kleidern, die Effeminierung als Stil, die verschiedenen Ausstaffierungen, die weibliche Unterwerfung andeuten“; „die Deutschen hatten […] die Macht, sie [die Frau –und nur die Frau– der Konzentrations-lager] zu schaffen. Die andere wollen […] die Macht. […] [D]er Mann einer rassisch verachteten Gruppe leidet, weil er […] von d[ies]er Macht ferngehalten wurde“; sie wirkt absolut entsetzt über die „Geschichte einer Frau, die den Zwang zelebriert, den sie selbst sucht, um sich ihm zu unterwerfen, um von ihm verletzt zu werden und um durch ihn ihre transzendente Weiblichkeit zu erleben“, als ob es keine bekennenden SM-Anhängerinnen gäbe, usw[53].
Ein weiteres, meiner Meinung nach entscheidendes Problem der Theorie Dworkins ist –wie oben schon kurz ausgeführt– ihre Weigerung, doch eine Grenze, wie brüchig sie auch sein mag, zwischen Darstellung und Nicht-Darstellung, oder Fiktion und Nicht-Fiktion, zu ziehen: Sie schreibt zum Beispiel über ein künstlerisch anspruchsvolles Bild einer Frau, die von einem Laserstrahl „penetriert“ wird, fühlt sich dann aber dazu gezwungen, seitenlang über die tatsächlichen Auswirkungen der Laserstrahlen auf die menschliche Haut zu referieren, um am Ende, vermutlich weil der Fotograf deutscher Nationalität war, auf den Holocaust einzugehen![54]
Der Grund, warum ich diesen –unüberbrückbaren– Makel ihres gesamten Denkens noch einmal erwähne, ist der, dass es mich eigentlich wundert, dass Carroll den nicht auch zumindest ansatzweise selber aufgegriffen hat, zumal der sich als so verheerend einflussreich für die Debatte über Pornographie und über sexuelle Darstellung überhaupt erwiesen hat. Carroll ist letztlich ansonsten sehr emphatisch dabei, der ganzen postmodernen Ungewissheit zum Trotz den Unterschied zwischen Fiktion und Nicht-Fiktion beispielsweise mithilfe seines eigenen Begriffs des indexing beizubehalten[55]. Gerade bei den meisten pornographischen Werken, mit ihren niedrigen Budgets und zugegebenermaßen nicht selten plumpen Dialogen und Handlungen, ist der Darstellungscharakter in der Regel besonders leicht zu durchschauen und der Anspruch auf Wahrheitstreue ohnehin besonders abwesend. Abgesehen davon ist der pornographische Blick an sich besonders „künstlich“: Wie Anthony Crabbe schreibt, „it is very difficult to film the close tangle of sexual activity so that the viewer can see exactly what is happening. The technical artifice is just as great in hardcore as in, say, horror films“[56].
Zuletzt will ich auf das meines Erachtens grundlegendste Problem von Dworkins Theorie eingehen, nämlich auf die Art und Weise, wie sie buchstäblich ihr eigenes Thema verfehlt[57] und den Begriff Pornographie (unter anderen Begriffen wie beispielsweise Vergewaltigung[58]) auf methodisch unzulässige Weise dermaßen ausdehnt, dass er aufhört, überhaupt Sinn zu machen: Für sie sind alle Darstellungen, in denen Frauen „entmenschlicht“ und „herabwürdigt“ oder als „Huren“ behandelt werden, was auch immer eine so schwammige und subjektive Definition bedeuten mag, als pornographische Darstellungen zu begreifen, was genreübergreifend und deshalb einfach zu ungenau ist – und was übrigens auch zu ihren eigenen Foto- und Literaturanalysen sowie literarischen Werken passt[59]. Schließlich sind, sollte man die Argumente Dworkins ernst nehmen, in letzter Konsequenz alle Darstellungen intergeschlechtlicher Beziehungen zwangsweise pornographisch (oder vielleicht sogar alle Darstellungen von Frauen) solange das Patriarchat besteht, denn „[i]m männlichen System sind Frauen Sexualität; Sexualität bedeutet Hure. Sie kaufen bedeutet Pornographie kaufen. Sie haben bedeutet Pornographie haben. Sie sehen bedeutet Pornographie sehen. […] Sie sein bedeutet Pornographie sein“[60].
Dworkin schafft es aber –ihrer nicht geringen Inkohärenz sei Dank–, den Begriff Pornographie gleichzeitig so einzuschränken, dass er bei ihr letztlich auch synonymisch für dargestellte Gewalt gegen Frauen steht, insbesondere in Verbindung mit Vergewaltigung, Bondage, Messer, Zerstückelung, Verkehr mit Tieren usw. Dass die überwiegende Mehrheit pornographischer Produkte mit solchen als „extrem“ konnotierten Sparten der Pornographie nichts zu tun haben (einige davon sind sogar in „liberalen“ Ländern illegal), soll nicht relevant sein. Das zeugt nicht lediglich von einer gewissen „Ungenauigkeit“ oder von einem trotz aller Fehler und Mängel dennoch fairen Willen, sich mit einem komplexen und sensiblen Thema wissenschaftlich auseinanderzusetzen, sondern nur von einer eindeutigen Kreuzzugsmentalität, die bewusst tendenziös vorgeht, und zwar hinter einer aus so genannten „Argumenten“ gebauten Wand die, kratzt man etwas an ihrer Oberfläche, transparent genug wird, damit die Position hinter ihr als absolute Ignoranz entlarvt werden kann.
- Schluss
Diese Arbeit begann als ein Versuch, Carrolls Kritik an den Ideen des consequentialism, des propositionalism und des identificationism anhand des Beispiels der Pornographie zu illustrieren. Sie endet allerdings als eine Kritik der Kritik, denn je mehr ich mich mit den Texten, die als „feministische Theorien“ verkauft werden, beschäftigte, desto mehr fragte ich mich, warum Carroll sie nicht mit der ihm eigenen Schärfe auseinandergenommen und gnadenlos gegen sie polemisiert hat, wo er sich dafür bekanntlich selten zu schade ist.
Meine Antwort auf diese Frage wäre wohl, dass Carroll wahrscheinlich bewusst vermeiden wollte, sich auf politisches Terrain zerren zu lassen, zumal das Niveau der pornophoben Feministinnen nicht besonders hoch ist und sie eher dazu neigen ad hominem zu argumentieren als intellektuellen Austasch über philosophische Grundlagen stattfinden zu lassen. Carroll wollte vermutlich in seinem Buch A Philosophy of Mass Art eben auf dieser philosophischen Ebene bleiben.
Wie dem auch sei (und über seine Intention kann ich selbstverständlich nur mehr oder weniger wild spekulieren), die Position Andrea Dworkins ist so skandalös, dass die Carrollsche Kritik, wenn sie auch zutreffend ist, meiner Meinung nach ergänzt werden musste[61], was ich vielleicht etwas bruchstückhaft mit der kurzen Erörterung vier weiterer Probleme der pornophoben Theorie, so wie ich sie sah, erreichen wollte. Das Thema ist meines Erachtens einfach zu wichtig, die Konfusion darüber zu groß, die politischen Aspekte der Debatte darum zu aktuell und das gesellschaftliche Gewebe durchdringend, um es beiseite liegen zu lassen. Viel bessere Studien als diese kurze Hausarbeit sind also nötig, um unter anderem die Frage zu klären, warum „la libération de l’activité sexuelle ne s’accompagne pas vraiment de la liberté de sa représentation, laquelle continue d’être soumise à des régimes uniques de contrôle ou de répression“[62].
[1] Carroll, Noël, A Philosophy of Mass Art, New York 1998, S. 292.
[2] Idem, S. 293.
[3] Idem, S. 294.
[4] Dworkin, Andrea, PorNOgraphie – Männer beherrschen Frauen, Köln 1987 (1. Auflage New York 1979, Originaltitel PorNOgraphy – Men Possessing Women), Übersetzung von Erica Fischer. Im Vorwort zu dieser Ausgabe schreibt Alice Schwarzer: „Ohne Kenntnis dieses Buches wird in Zukunft über Pornographie nicht mehr nachgedacht, gesprochen oder gestritten werden können“ (S. 12). Angesichts der Debatten der 90er Jahre, und jenseits der Frage, ob Dworkins Argumente und politische Appetiten zu unterstützen sind, scheint diese Aussage zutreffend zu sein – so viel zu dem Begriff „Standardwerk“, den ich oben einführte.
[5] Carroll, op. cit., S. 296.
[6] Ich ziehe es hier vor, die englischen Begriffe beizubehalten, denn ein Versuch, diese zu übersetzen (und somit womöglich zu reduzieren oder auszudehnen) würde meiner Meinung nach nicht zur analytischen Genauigkeit beitragen – im Gegenteil sogar.
[7] Carroll, op. cit., S. 301.
[8] Idem, S. 301.
[9] Idem, S. 302.
[10] Carroll braucht keinen systematischen Überblick des Forschungsstandes zu skizzieren, denn es geht ihm darum, auf die philosophischen Probleme des consequentialism aufmerksam zu machen und somit zu zeigen, dass der consequentialism als kandidierende umfassende Theorie mehr als 2.000 Jahre nach seiner Entstehung der wissenschaftlichen Methode einfach immer noch nicht gerecht wird.
[11] Carroll, op. cit., S. 302-303.
[12] Idem, S. 303. Ich schreibe „wenigstens grob“ um möglichen –und meiner Meinung nach etwas impressionistischen– Vorwürfe im voraus entgegenzutreten, wonach diese Trennung in Zeiten des „Reality-Fernsehens“ nicht mehr vorhanden sei.
[13] Idem, S. 296.
[14] Idem, S. 298.
[15] Wenn angenommen wird, dass diese Bildung durch die Behauptungen der Massenkunst auch zu tatsächlich neuen oder veränderten Verhaltensweisen bei den Konsumenten führt, handelt es sich um eine eindeutige –und sehr verbreitete– Mischung zwischen consequentialism und propositionalism.
[16] Carroll, op. cit., S. 308.
[17] Idem, S. 309-310.
[18] Carroll selbst schreibt, dass es den propositionalists vorwiegend eben um diese Art Behauptungen geht, statt um triviale Behauptungen wie „Menschen sind soziale Wesen“ oder „Tiere müssen fressen“, die auch in der Massenkunst festzustellen sind (siehe idem, S. 305).
[19] Vgl. Kapitel 3 von idem, insbesondere S. 192-196.
[20] Carroll selbst nennt Richard Wrights Roman Native Son ein mögliches Beispiel; Filme wie Thelma and Louise oder Pink Flamingos dürften auch dazu gehören. Nicht unwichtige Werke des pornographischen/erotischen Genres (de Sade, Anaïs Nin, Deep Throat, queere Pornoproduktionen usw.) sind vertretbarerweise weitere Beispiele.
[21] Carroll, op. cit., S. 310.
[22] Carroll scheint sogar sich darüber zu beschweren, wenn er folgende Worte schreibt: „His [Platos] is probably the first theory of identification in Western civilization. It is so influential that contemporary critics of mass art typically take it over whole“ (siehe idem, S. 259).
[23] Zitiert von Carroll in idem, S. 312 (das Zitat stammt aus einem Text von Bossuet).
[24] Idem, S. 299. Im vierten Kapitel des Buches, mit dem sich die vorliegende Arbeit hauptsächlich befasst, geht Carroll auf die Emotionen viel näher ein (das Kapitel heißt sogar „Mass Art and the Emotions“). Für eine Kritik des identificationism mit Schwerpunkt auf seine Beziehung mit den Emotionen statt der Moral, siehe idem, insbesondere S. 260ff.
[25] Idem, S. 312.
[26] In dem hier behandelten Kapitel bietet Carroll den Fall von Independence Day als seinem Einwand unterstützenden Beispiel an: „If citizens of Washington DC identified in this way [wenn sie die gleichen Erfahrungen durchmachen müssten] with the human characters in Independence Day, they would not stay to the end of the film. They would evacuate“ (S. 312). Gewiss, dieses Beispiel klingt eigentlich pedantisch, und die Kritik an einer anderen –vielleicht sanfteren– Version des identificationism, die in der Fußnote 28 statfindet (S. 312-313), wonach die Konsumenten sich während des Konsums der Massenkunst schon aus zeitlichen und aufmerksamkeitsbezogenen Gründen nicht fragen könnten, wie sie unter Umständen wie die, unter denen die fiktiven Charaktere sind, agieren würden, ist definitiv vereinfachend (was ist mit der klassischen Reaktion bei dem Konsum von slasher movies, sich zu fragen „Warum macht sie nicht das Licht an?“ oder zu schreien „Geh’ nicht in das Haus, sucht doch das Weite!“?). Da die vorliegende Arbeit sich nicht ausschließlich mit der Identifikationstheorie beschäftigen soll, und der in dieser Fußnote erwähnte Punkt Carrolls gegen den identificationism für das Themenkomplex Massenkunst/Moral eher nebensächlich ist, können leider diese und ähnliche Fragen hier gar nicht weiter behandelt werden.
[27] Idem, S. 313.
[28] Idem, S. 314ff.
[29] Idem, S. 317-318.
[30] So wurde die berühmt-berüchtigte These Robin Morgans, die von Carroll in seiner Diskussion des „consequentialism“ auch erwähnt wird (idem, S. 297), wonach Pornographie die Theorie und Vergewaltigung die Praxis sei, bereits 1986 in dem Bericht des Ausschusses der amerikanischen Staatsanwaltschaft zur Pornographie (die sogenannte Meese Kommission, die von Ronald Reagan ins Leben gerufen wurde und überwiegend aus Vertretern der „moral majority“ bestand) eins zu eins übernommen, und zwar ohne Anführungszeichen! Zitiert in Williams, Linda, Hard Core – Power, Pleasure and the Frenzy of the Visible, Berkeley 1989, S. 16.
[31] Vgl. Strossen, Nadine, Zur Verteidigung der Pornographie – Für die Freiheit des Wortes, Sex und die Rechte der Frauen, Zürich 1997 (1. Auflage New York 1995, Originaltitel Defending Pornography – Free Speech, Sex, and the Fight for Women’s Rights), Übersetzung von Ruth Keen, worin die Vielfältigkeit der Stimmen, die sich auch innerhalb der Frauenbewegung gegen den pornophoben Feminismus aussprechen, auf beeindruckende Art und Weise vorgestellt wird. Bei Faulstich, Werner, Die Kultur der Pornografie – Kleine Einführung in Geschichte, Medien, Ästhetik, Markt und Bedeutung, Bardowick 1994, S. 254-255, oder bei Williams, op. cit., insbesondere (aber nicht nur) S. 16-30, können auch andere zusammenfassende Darstellungen dieser Positionen gefunden werden.
[32] In diesem Abschnitt wird es zunehmend schwierig, „politisch korrekt“ zu sein. Im vorherigen Absatz habe ich z. B. darauf verzichtet, das Wort „Feministinnen“ so zu schreiben, dass es auch männliche Feministen einschließen könnte, und zwar aufgrund dessen, dass die Theorien Dworkins, MacKinnons und Morgans selbst so sehr auf der Trennung der Geschlechter basieren. Beim Wort „MilitantInnen“ habe ich aber anders agiert, weil die besagten Feministinnen durchaus politische Kontakte zu („militanten“) männlichen Pornographie-Gegnern pflegten und pflegen, die sich niemals als Feministen bezeichnen würden, aber gerne die „Gewalt gegen Frauen“als Vorwand für ihr Programm verwenden. Beim Wort „Konsumenten“, welches unten kommt, schließe ich die weiblichen Konsumentinnen bewusst aus, denn im pornophoben Feminismus sind als Konsumenten von Pornographie eh nur Männer gemeint (oder weibliche „Kollaborateurinen“. All diese drei Teilaspekte werden im weiteren Verlauf der Arbeit noch mal aufgegriffen.
[33] Mir ist bewusst, dass es hier –wie bei jeder intellektueller Tendenz– nicht nur feine sondern sogar manchmal beträchtliche Unterschiede dazwischen gibt, was die verschiedenen Menschen denken und fordern. Ab jetzt werde ich mich auf Dworkin konzentrieren, genauer gesagt auf die Position, die sie in ihrem oben schon erwähnten Buch PorNOgraphie – Männer beherrschen Frauen vertritt, weil diese Position sehr einflussreich und representativ ist, auch wenn sie selbstverständlich nicht als ein einheitliches Dogma oder als die universell geteilte Wahrheit unter den GegnerInnen der Pornographie betrachtet werden kann und soll.
[34] Dworkin, op. cit., S. 13. Von dieser letztlich etimologischen und deshalb ahistorischen Definition des Begriffs Pornographie weicht sie im übrigen Text gar nicht mehr ab.
[35] Idem, S. 15. Die undifferenzierten Begriffe „Männer“ und „Frauen“ werden im ganzen Buch durchgehend verwendet, wobei „Männer“ meistens für „Täter“ und „Frauen“ interessanterweise entweder für „Opfer“ oder für „Kollaborateurin“ steht. Diese Reduzierung der Frauen auf die machtlose Opferrolle, die dem Patriarchat so gerecht ist, wird von Williams, op. cit., insbesondere S. 21-22, oder von der Schriftstellerin Marcia Pally, zitiert in Strossen, op. cit., S. 34, unter vielen anderen AktivistInnen der Frauenbewegung, heftigst kritisiert.
[36] Dworkin, op. cit., S. 35.
[37] Idem, S. 242.
[38] Siehe Fußnote 34.
[39] Dworkin, op. cit., S. 200.
[40] Idem, S. 201. Wie Silvia Bovenschen in Bezug auf diese und ähnliche Argumentationen schrieb, „[w]enn nach der Lektüre dieses Buches eine Konsequenz auf der Hand liegt, dann nicht so sehr die des Verbots von Pornografie, sondern die des Verbots von Männern“. Aus Bovenschen, Silvia, „Auf falsche Fragen gibt es keine Antworten. Anmerkungen zur Pornographie-Kampagne“, in Classen, Brigitte (Hrsg.), Pornost. – Triebkultur und Gewinn, München 1988, S. 56-67 (Zitat S. 62).
[41] Dworkin, op. cit., S. 242.
[42] Idem, S. 68.
[43] Siehe zum Beispiel folgende Zitate aus idem: „Die Symbole des Terrors sind alltäglich und absolut vertraut: die Faust, die Pistole, das Messer, die Bombe und […] der Penis“ (S. 24); „Ein Säbel, der in eine Vagina eindringt, ist eine Waffe, genau wie […] der Penis, den er ersetzt“ (S. 35); „In der gesamten männlichen Kultur wird der Penis als Waffe gesehen, besonders als Schwert“ (S. 71); „Hier sind zwei Frauen zusammen […] Keine männliche Gestalt ist zu sehen. Die Schere repräsentiert die explizite phallische Präsenz […] Die Schere suggeriert oder verspricht phallische Penetration“ (S. 160); „Das Gewehr ist die phallische Präsenz“ (S. 189); „Dann schlug er sie mit seinem Schwanz ins Gesicht“ (S. 196); „Die Jungs setzen darauf, dass ihre Penisse und Fäuste und Messer und Ficks und Vergewaltigungen uns zu dem machen werden, was wir in ihren Augen sind“ (S. 268) usw.
[44] Siehe zum Beispiel folgende Zitate aus idem: „In der Praxis ist Ficken eine Art der Besitznahme – gleichzeitig ein Akt des Besitzens, Nehmens, Gewaltantuns“ (S. 33); „Die Macht der Sexualität wird letztlich als Macht der Eroberung definiert“ (S. 41); „In dieser Welt, hier und jetzt, nach Auschwitz, nach Hiroshima, nach Vietnam, nach Jonestown […] sind die Männer müde. […] Wie tröstlich und vertraut ist es da inmitten dieser Schönen Neuen Welt, Frauen mit leidenschaftlicher Grausamkeit zu quälen“ (S. 84-85); „Die Frau aus dem Konzentrationslager, eine Jüdin […] wurde zum versteckten Sexualsymbol unserer Zeit. […] Ihre Existenz hat die zeitgenössische Massensexualität [gemeint ist die Pornographie!] definiert, hat ihr den eindeutigen und unverfrorenen massensadistischen Charakter verliehen“ (S. 175); „Die Macht der Männer in der Pornographie ist eine imperiale Macht“ (S. 267) usw.
[45] Dworkin, Andrea, Geschlechtsverkehr, Hamburg 1993 (1. Auflage New York 1987, Originaltitel Intercourse), Übersetzung von Christel Dormagen, S. 162.
[46] Siehe Fußnote 32.
[47] Dworkin, PorNOgraphie – Männer beherrschen Frauen, S. 201.
[48] Pornographie wird bei idem mit Sklaverei (z. B. S. 87), mit „Hurerei“ [gemeint ist wohl der Zwang zur Prostitution] (z. B. S. 166), mit buchstäblicher Vergewaltigung (z. B. S. 167), mit Folter durch Einsetzung von Elektrizität (S. 168-171) und mit dem Holocaust (S. 172ff), unter anderen Verbrechen, verglichen.
[49] Ich schreibe absichtlich „Menschen“, denn es gibt bekanntlich genügend Frauen, die den Konsum wenigstens gewisser pornographischer Darstellungen genießen, und Gründe dafür geben (obwohl sie eigentlich keine Gründe geben müssten, was an sich schon zeigt, wie mächtig der pornophobe Diskurs ist). Dass diese Frauen von Dworkin et. al. als „Kollaborateurinnen“ verpönt werden, macht nur noch deutlicher, wie diese Art von Feministinnen den emanzipierten Frauen, die ihre eigene Meinung vertreten und sexuell unabhängig sind, eigentlich zutiefst verachtend gegenüber stehen. Siehe Strossen, op. cit., z. B. S. 32ff, 96ff und S. 168ff, u. a.; oder Williams, op. cit., z. B. S. 23-25 und S. 229ff u. a.
[50] Hierbei denke ich zunächst an Clover, Carol, Men, Women, and Chainsaws – Gender in the Modern Horror Film, Princeton 1992. Dort geht es, wie aus dem Titel des Bandes zu entnehmen ist, hauptsächlich um gender im Horrorfilm. Nichtsdestotrotz finde ich diesen Beitrag relevant, weil er verdeutlicht, wie starr und unhaltbar die essenzialistische Geschlechterdychotomie ist, und ferner auch deshalb, weil einige der Filme, die im Buch besprochen werden (The Texas Chainsaw Massacre oder I Spit On Your Grave zum Beispiel), auch nicht selten von pornophoben TheoretikerInen als repräsentativ für die Pornographie genannt werden, was die laxe Methodologie dieser VerfasserInnen sowie die Schwammigkeit ihrer Pornographie-Definition noch mal deutlich macht (darauf wird unten noch eingegangen werden – siehe direkt dazu auch Williams, op. cit., S. 190ff; und Faulstich, op. cit., S. 255-257). Für eine Kritik Clovers Ansatzes siehe Freeland, Cynthia A., „Feminist Frameworks for Horror Films“, in Bordwell, David und Carroll, Noël (Hrsg.), Post-Theory – Reconstructing Film Studies, Madison 1996, S. 195-218, insbesondere S. 202-203. Einen anderen Blick auf die Identifikationsprozesse möchte ich hier auch noch mehr oder minder in extenso zitieren, um mein Argument über die Vielfalt der Interpretationen zu unterminieren: „There is a strong case to be made here that what the female body signifies [in pornography] is not femininity but male desire, in so far as it is presented as aggressive and insatiable, qualities normally associated with men. […] The irony of all this for pornography is that female sexuality, which it ostensibly shows, parades and displays, is in fact the very thing that pornography represses. What it instead reveals is male desire desiring to be desired by male desire. Pornography thus has a narcissistic quality –the voyeur is simply looking in a mirror to confirm his desire- and the ubiquity of male desire indicates that beneath the heterosexual surface there may be a homosexual core “ (aus Day, Gary, „Looking at Women – Notes Toward a Theory of Porn“, in Day, Gary und Bloom, Clive [Hrsg.], Perspectives on Pornography – Sexuality in Film and Literature, New York 1988, S. 83-100 [Zitate aus S. 88-89 und 92-93]).
[51] Siehe Strossen, op. cit., Kapitel 3 (S. 64-93, insbesondere S. 69ff).
[52] Carroll, op. cit., S. 300ff.
[53] Siehe Dworkin, PorNOgraphie, S. 155, S. 175 uns S. 197, in dieser Reihenfolge.
[54] Idem, S. 168ff. Siehe auch die S. 11-12 der vorliegenden Arbeit.
[55] Diese Arbeit ist nicht der richtige Ort, um sich diesem wichtigen Carrollschen Beitrag zum Thema zu widmen. Es sei also nur gesagt, dass es darum geht zu sehen, wie die kulturellen Artefakte (z. B. Filme) von ihren Produzenten indexed werden, ob als Fiktion oder Nicht-Fiktion, und aber auch, wie sie von ihren Konsumenten wahrgenommen werden, wo sie von ihnen auch indexed werden. Die daraus entstandene Konstruktion bewegt sich wohl zwischen zwei Polen (Fiktion und Nicht-Fiktion), gehört aber immer, auch wenn nur graduell, dem einen Lager an. Siehe Carroll, Noël, „Nonfiction Film and Postmodern Skepticism“ und Plantinga, Carl, „Moving Pictures and the Rhetoric of Nonfiction: Two Approaches“, beide in Bordwell, David und Carroll, Noël (Hrsg.), op. cit., S. 283-306 und 307-324, in dieser Reihenfolge.
[56] Aus Crabbe, Anthony, „Feature-lenght Sex Films“, in Day, Gary und Bloom, Clive (Hrsg.), Perspectives on Pornography – Sexuality in Film and Literature – New York 1988, S. 44-66 (Zitat aus S. 54-55).
[57] Bezeichnenderweise hat das Buch PorNOgraphie sieben Kapitel, von denen nur das kürzeste (es ist vier Seiten lang!) „Pornographie“ heißt. Dies ist mir sofort beim Lesen des Inhaltsverzeichnisses aufgefallen, würde aber vermutlich bei jedem halbwegs kritischen Leser Dworkins zumindest einen kleinen Verdacht bezüglich ihrer Methoden wecken – siehe zum Beispiel Faulstich, op. cit., S. 247.
[58] Dworkins Vergewaltigungsbegriff ist in der Tat so umfassend, dass man behaupten könnte, dass sie damit Vergewaltigung verharmlost bzw. bagatelisiert. Siehe z. B. folgende Passage: „Die Fotos dokumentieren […] eine Vergewaltigung. Die erste Vergewaltigung geschieht, wenn die Frauen ausgebreitet und benützt werden; die Vergewaltigung wiederholt sich jedesmal, wenn der Betrachter die Aufnahmen [der] mit der Kamera ausgeführte[n] Vergewaltigung“ konsumiert. Dworkin, PorNOgraphie, S. 167.
[59] Ironischerweise schrieb die Frankfurter Allgemeine Zeitung zum zweiten Roman Dworkins, „Erbarmen“, dass „[d]er heilige Wahnsinn, mit dem sie sich auf dem Theater der Grausamkeit opfert, […] nicht einer faszinierenden Magie [entbehrt] – wie die komplementären Obsessionen eines de Sade“, dem sie ein ganzes Kapitel des in der vorliegenden Arbeit diskutierten Buches widmet (aus dem Klappentext des schon erwähnten Buches Geschlechtsverkehr). Siehe Strossen, op. cit., insbesondere Kapitel 10 und 11, für eine Dokumentierung der Folgen pornophober Gesetze, die von Dworkin und ihre KollegInnen teilweise mitentworfen wurden, wie z. B. der verstärkten Zensur wissenschaftlicher und emanzipationspolitischer Werke sowie der Bücher Dworkins selbst!
[60] Dworkin, PorNOgraphie, S. 243.
[61] Für einen leidenschaftlichen Carroll-Leser wie mich wäre es freilich am besten, wenn er selbst mal zum Genre schreiben würde, so wie er es zu anderen Genres –Horror, Dokumentarfilm oder Avantgardefilm– tut.
[62] Aus Ogien, Ruwen, „Le Porno“, in Le Nouvel Observateur (Hors-Serie), Paris, Juli-August 2004, S. 70-71 (Zitat S. 71).
- Verzeichnis der benutzten Literatur
Primärliteratur
- Carroll, Noël, A Philosophy of Mass Art, New York 1998.
- Dworkin, Andrea, PorNOgraphie – Männer beherrschen Frauen, Köln 1987 (1. Auflage New York 1979, Originaltitel PorNOgraphy – Men Possessing Women), Übersetzung von Erica Fischer.
Sekundärliteratur
Artikel
- Bovenschen, Silvia, „Auf falsche Fragen gibt es keine Antworten. Anmerkungen zur Pornographie-Kampagne“, in Classen, Brigitte (Hrsg.), – Triebkultur und Gewinn, München 1988, S. 56-67.
- Carroll, Noël, „Nonfiction Film and Postmodern Skepticism“,in Bordwell, David und Carroll, Noël (Hrsg.), Post-Theory – Reconstructing Film Studies, Madison 1996, S. 283-306.
- Crabbe, Anthony, „Feature-lenght Sex Films“, in Day, Gary und Bloom, Clive (Hrsg.), Perspectives on Pornography – Sexuality in Film and Literature – New York 1988, 44-66.
- Day, Gary, „Looking at Women – Notes Toward a Theory of Porn“, in Day, Gary und Bloom, Clive [], Perspectives on Pornography – Sexuality in Film and Literature, New York 1988, S. 83-100.
- Freeland, Cynthia A., „Feminist Frameworks for Horror Films“, in Bordwell, David und Carroll, Noël (Hrsg.), Post-Theory – Reconstructing Film Studies, Madison 1996, S. 195-218.
- Ogien, Ruwen, „Le Porno“, in Le Nouvel Observateur (Hors-Serie), Paris, Juli-August 2004, S. 70-71.
- Plantinga, Carl, „Moving Pictures and the Rhetoric of Nonfiction: Two Approaches“, in Bordwell, David und Carroll, Noël (Hrsg.), Post-Theory – Reconstructing Film Studies, Madison 1996, S. 307-324.
Bücher
- Bordwell, David und Carroll, Noël (Hrsg.), Post-Theory – Reconstructing Film Studies, Madison 1996.
- Classen, Brigitte (Hrsg.), – Triebkultur und Gewinn, München 1988.
- Clover, Carol, Men, Women, and Chainsaws – Gender in the Modern Horror Film, Princeton 1992.
- Day, Gary und Bloom, Clive (Hrsg.), Perspectives on Pornography – Sexuality in Film and Literature – New York 1988.
- Dworkin, Andrea, Geschlechtsverkehr, Hamburg 1993 (1. Auflage New York 1987, Originaltitel Intercourse), Übersetzung von Christel Dormagen.
- Faulstich, Werner, Die Kultur der Pornografie – Kleine Einführung in Geschichte, Medien, Ästhetik, Markt und Bedeutung, Bardowick 1994.
- Strossen, Nadine, Zur Verteidigung der Pornographie – Für die Freiheit des Wortes, Sex und die Rechte der Frauen, Zürich 1997 (1. Auflage New York 1995, Originaltitel Defending Pornography – Free Speech, Sex, and the Fight for Women’s Rights), Übersetzung von Ruth Keen.
- Williams, Linda, Hard Core – Power, Pleasure and the Frenzy of the Visible, Berkeley 1989.
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I manage a vape store directory and we have had a listing from a vape store in the United States that likewise offers CBD items. A Month afterwards, PayPal has written to use to say that our account has been restricted and have asked us to get rid of PayPal as a payment method from our vape store directory. We do not sell CBD items like CBD oil. We only provide promotion and marketing solutions to CBD companies. I have checked out Holland & Barrett– the UK’s Well known Health Retail store and if you take a good peek, you will witness that they supply a somewhat substantial range of CBD product lines, primarily CBD oil and they also happen to accept PayPal as a settlement method. It emerges that PayPal is applying contradictory standards to many different firms. As a result of this constraint, I can no longer accept PayPal on my CBD-related site. This has constricted my payment possibilities and right now, I am heavily reliant on Cryptocurrency payments and straightforward bank transfers. I have consulted with a barrister from a Magic Circle law firm in London and they said that what PayPal is doing is completely against the law and discriminatory as it should be applying a systematic benchmark to all companies. I am still to check with one more legal representative from a US law firm in London to see what PayPal’s legal position is in the USA. For the time being, I would be extremely appreciative if anybody here at targetdomain could provide me with alternative payment processors/merchants that deal with CBD firms.
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