- Einleitung
Es ist nur eine der vielen verheerenden Folgen der Anti-Pornographie-Kampagne, die seit Ende der Siebzigerjahre die unterschiedlichsten Sphären der westlichen Kulturen entschieden geprägt hat (Kunst, Politik, Recht, allgemeines Konsumverhalten usw.), und für deren Führung und Auswirkungen die extreme Rechte und große Sektoren der feministischen Bewegung gleichermaßen zur Verantwortung zu ziehen sind, daß es heutzutage sehr schwer ist, eine wissenschaftliche Arbeit über Porno-graphie zu schreiben, ohne zunächst die Argumente der Verfechter dieser Kampagne widerlegt zu haben (und unter diesen Argumenten hauptsächlich die „feministischen“, da sie als „wissenschaftlich“ und „progressiv“ von respektierten AkademikerInnen und AktivistInnen und nicht von dubiosen Pfarrern und First Ladies der Öffentlichkeit verkauft werden), auch wenn die Arbeit sich ursprünglich gar nicht mit diesen Argumenten befassen sollte. Allerdings, so tief sind die reaktionären Postulate der Anti-Pornographie-Bewegung jeder aufklärerischen Logik und allen empirischen Studien zum Trotz in das ideologische kollektive Bewußtsein der westlichen Post-Kalter-Krieg-Gesellschaften (und insbesonders der nordamerikanischen Gesellschaft, die ja auch bekanntlich den Ton angibt) eingedrungen, daß sie jetzt weitgehend als selbstverständlich gelten, und daß man nicht drum herum kommt, ausdrücklich gegen sie kämpfen zu müssen, um überhaupt etwas Sinnvolles über Pornographie sagen zu können.
Diese bedeutende Einschränkung der wissenschaftlichen Freiheit der Themen-auswahl bei der Forschung über Erotika und offene sexuelle Darstellung ist freilich als harmlos zu bezeichnen, wenn man sie mit anderen, etwas konkreteren „Neben-wirkungen“ der Anti-Pornographie-Kampagne vergleicht: der Rückenwind und die Salonfähigkeit, die der extremen Rechte bei ihrer ideologischen Neuaufladung von dieser Kampagne gegeben wurden, und die dazu beitrugen, daß primitive und tief frauenfeindliche „Werte“ wieder hegemonial werden konnten; die regelrechte Hexen-jagd auf und maßlose Medienhysterie gegen Abertausende von angeblichen „Kinder-schändern“, „Pornographern“, „sexuell Belästigenden“, „politisch Unkorrekten“, „Verdorbenen“ aller Art, „den Arzt“-spielenden Kindern, ja sogar gegen Erwachsene, die sich freiwillig und im Konsens für bestimmte sexuelle Taten entscheiden (wie es am dramatischsten –weil es sich um den Präsidenten der Vereinigten Staaten handelte!- im Fall Clinton/Lewinsky zu sehen war) usw.; die hohe Konjunktur, von der jeglichen Verbots-, Zensur- oder wenigstens Stigmatisierungsinitiative gegen „pornographische“ Produkte genießen, von den Warnungen vor „explicit lyrics“, die besonders auf amerikanische Hip-Hop Platten (also, und nicht zufällig, besonders auf Platten schwarzer Musiker) geklebt werden müssen, über die gezwungenen Veränderungen, die selbst bei Filmen mit vollkommen unzweifelhaftem „künstlerischen Anspruch“ (wie zum Beispiel Eyes Wide Shut) durchgeführt werden, damit sie überhaupt gezeigt werden dürfen, bis hin zu restriktiven Gesetzen, die (wie das aus der Entscheidung im Fall Butler vs. The Queen entstandene kanadische Obszönitätsgesetz von 1992)[1] auf der echten Welt –selbst wenn vielleicht nicht unbedingt in der weltfremden Ideenwelt der zensurbefürwörtenden Feministinnen- den Staatsmächten als Instrumente zur weiteren Unterdrückung sexueller (und nicht nur sexueller) Minderheiten und Frauen dienen[2]. Gerade aber diese eher „harmlose“ Folge der reaktionären Welle (die Unabdingbarkeit der vorherigen Erörterung eben dieser reaktionären Welle) hat dazu geführt, daß ich bei dem Versuch, bei der vorliegenden Arbeit lediglich über die Entstehung und die besonderen Merkmale des pornographischen Spielfilms par excellence, Deep Throat, zu schreiben, feststellen mußte, daß ich die Frage der Anti-Pornographie-Kampagne nicht ignorieren konnte, wenn ich Glaubwürdigkeit anstrebte.
Deep Throat ist zweifelsohne einer der herausragendsten pornographischen Filme aller Zeiten, und das spektakuläre soziale Phänomen, das seinen überraschenden Erfolg in allen gesellschaftlichen Schichten Amerikas 1972 repräsentierte, war in der Tat einer der entscheidenden Momente des großen Durchbruchs der Pornographie (und des Diskurses über dargestellten Sex) in die breite Öffentlichkeit, gegen den sowohl die Rechte als auch der zensierende Teil der Frauenbewegung seit etwas mehr als zwanzig Jahren pöbelhaft ins Feld ziehen. Schon deshalb ist dieser Film historisch wichtig und ein Text, durch dessen Analyse und Interpretation sich paradigmatische Argumente für oder gegen die bisher bestmögliche Pornographie, wenn nicht unbedingt für die Masse der pornographischen Produktion, finden lassen sollten. Mit anderen Worten: Wenn es der „Anti-Porno Front“ gelingt, Deep Throat als frauenfeindlich und unmittelbar „gefährlich“ zu charakterisieren, ist der Kampf für Unmengen anderer pornographischer Texte von vornherein aussichtslos. Es ist also meine Absicht bei dieser Hausarbeit, die pornographische Gattung zu beschreiben, die Deep Throat 1972 einleitete und für die er immer noch prototypisch bleibt; dann kurz und notwendigerweise schematisch die medienhistorische Entwicklung zu schildern, die das Ereignis Deep Throat überhaupt möglich machte; und schließlich auf einige wenige Eigenschaften des Filmes einzugehen, um dadurch zu beweisen, daß er, als der erste große (post?)moderne pornographische Spielfilm, weit davon entfernt ist, „Theorie zur Vergewaltigung“ zu sein, und vielmehr eine eher positive und in ihrer Grobheit fast geniale Antwort der Erotika auf die (1972 noch neue) Frauenbewegung war.
- Der pornographische Spielfilm als Kunstgattung
Da wir schon über die Folgen der Anti-Pornographie Kampagne und des rechten backlash reden: Wenn heutzutage selbst Geisteswissenschaftsstudenten behaupten, in Pornographie ginge es „nur“ um Sex, ist das falsch und ein Zeichen des Erfolges der Reaktion aus mindestens zwei guten Gründen. Erstens wäre am Anfang der Siebzigerjahre keiner, und gewiß kein progressiver Intellektueller, auf die Idee gekommen, einen Film, der zahlreiche sexuelle Darstellungen und sonst relativ wenige Elemente einer konventionell erzählten „Geschichte“ anbietet, abwertend als „nur“ über Sex zu bezeichnen, da Sex und sexuelle Freiheit an sich damals als lebenswichtig und wohl reflektierungswürdig betrachtet wurden. Nach dem Motto: Gerade weil die ganze Sache um Sex geht, ist die Sache relevant. Zweitens wird tatsächlich durch Spielfilme wie Deep Throat klar, daß auch die sexuellen Szenen eine explizit narrative Funktion haben können, und daß sie oft dazu da sind, die Behandlung klassischer Themen anderer Filmgenres (wie vor allem den Krieg der Geschlechter und die Identitätssuche eines Protagonisten) auf eine potentiell originelle Weise zu renovieren[3].
Insofern, daß alle Spielfilme für das pornographische Kino der Siebziger mehr oder weniger als kommerzielle und/oder kulturelle Produkte ernsthaft gemeint waren (auch wenn sie Komödien waren) und diesen oben erwähnten „narrativen“ Renovierungs-Ansatz zeigten, bildeten sie eine besondere Gattung des pornographischen Genres. Sie unterscheiden sich von den früheren Sex- und Stag-Filmen nicht nur darin, daß sie abendfüllende Filme waren, die zwischen 60 und 90 Minuten dauerten und in legal konzessionierten Kinos zu sehen waren; entscheidend für ihre Partikularität war auch, daß sie mit Schauspielern besetzt waren, deren Namen bekanntgemacht wurden, was eine Öffnung für ein seitdem boomendes pornographisches Star-System darstellte. Die Namen der Regisseure, Produzenten, Drehbuchautoren usw., wurden in der Regel auch öffentlich gemacht, und einige erreichten Kult- und/oder Star-Status. Alles in allem entsprach das technische Niveau dieser „neuen“ Porno-Filme mehr oder weniger dem Niveau der billigen „normalen“ Filme der Zeit: Sie wurden auf 16 oder sogar 35 Millimeter gedreht (und mindestens in einem Fall in 3-D![4]), Originalmusik wurde extra für sie komponiert und interpretiert; nicht selten (wie bei The Opening of Misty Beethoven oder der legendären Emanuelle-Serie) wurde ein außerordentlich hohes Budget für das Drehen in exotischen oder luxuriösen locations von den Produzenten in Kauf genommen usw.
Das Hauptmerkmal dieser Gattung war aber, wie es oben schon angedeutet wurde, daß diese Filme, wenn nicht zum ersten Mal dann wenigstens zum ersten Mal in so hohem Grad in der Geschichte der Pornographie, eine plausible Handlung hatten, in der echte Charaktere agierten und durch mehr oder weniger narrativisch integrierte Sex-Nummern und Dialoge Spannungen zu schaffen oder zu lösen hatten. Interessant dabei ist, daß diese Handlung sehr oft die Suche einer Frau nach dem Glück bzw. der sexuellen Befriedigung als Thema hatte, und daß Sex als ein problematischer Bereich konstruiert wurde, auf dem über Macht und Freiheit verhandelt werden konnte und mußte, als eine Arena für die Entfaltung des Kampfes der Geschlechter (eine Arena, in der es übrigens in diesen Filmen öfters die Frauen waren, die den Sieg errangen), was im deutlichen Gegensatz zu den sexuellen Darstellungen der herkömmlichen Sexfilme vorheriger Zeiten stand, in denen Sex und sexuelle Leidenschaft Gegebenheiten waren, die sich nicht wirklich „entwickeln“ konnten und die nicht „veränderbar“ waren.
Die Hauptkonvention dieser neuen pornographischen Filmgattung war der sogenannte money shot oder come shot, in dem man den erigierten Penis bei der Ejakulation sieht, und der schon beim Drehen der früheren Sexfilmen als Effekt möglich, ja sogar vielleicht erwünscht, aber nicht unentbehrlich war. Die Spielfime des „goldenen Zeitalters“ der Kinopornographie funktionierten aber nicht ohne den money shot, da dieser die Lösung war, die die Regisseure der Siebziger fanden, um sexuelle Lust und Befriedigung sichtbar zu machen. Die Tatsache aber, daß sie hauptsächlich ein Interesse daran hatten, die weibliche Sexualität für ein überwiegend männliches Publikum als irgendwie noch geheimnisvoll aber durch Hilfe der Pornographie im Endeffekt nachvollziehbar, ja darstellbar, zu gestalten, und daß ihre Lösung (die money shots) auf der männlichen Physiologie basierte, und deswegen nur eine Metapher der mysteriösen Essenz der Weiblichkeit war, ein cleverer Trick, eine neue nützliche Konvention, und bei weitem nicht the real thing, zeigt zum einen, wie schwer es sein kann, „nur“ Sex zu filmen und dabei eine immer anspruchsvollere Öffentlichkeit anzusprechen, aber zum anderen auch, daß die Pornographie dieser Zeit teilweise wohl ein Versuch war, die Verzweiflung vieler Männer angesichts einer wahrgenommenen wachsenden Unverständlichkeit der sich rasch emanzipierenden Frauen mit einem narrativen Mittel entgegenzutreten[5].
Ein anderer, nicht weniger wichtiger Faktor, der zur Popularität des money shot unter den Pornographiemachern der Siebziger führte, war sicherlich, daß er, als sichtbare Klimax einer Spannung, dem neu geschaffenen und sehr geschätzten narrativen Charakter der pornographischen Spielfilme entsprach, die, wie schon oben erwähnt, eine fast traditionelle Handlung mit Anfang, Figurendarstellung, Konflikt-aufbau, Höhepunkt, Epilog usw., hatten. Der Übergang von den eher zufälligen und unvorbereiteten, jedenfalls nicht obligatorischen money shots der filmischen Erotika der Fünfziger und Sechziger zur rigiden und fast obsessiven Konventionalisierung des money shot in den Siebzigern wurde nur durch die eindeutige Orientierung der Pornographie an die Narrativik möglich und vice versa.
- Bewegliche Grenzen: eine schematische Geschichte des Durchbruchs des Porns
Deep Throat war das erste Produkt der Herauskristallisierung dieser porno-graphischen Gattung und gleichzeitig ein bahnbrechendes und systematisierendes Werk, das die weitere Entwicklung eben dieser Gattung unter anderem dadurch erlaubte, daß es mit sich und seinem Erfolg eine sowohl für frühere Epochen als auch (meiner These nach) in unserer Zeit außergewöhnliche, fast nicht mehr vorstellbare legale und kulturelle Anerkennung für die Pornographie brachte. Der Weg der „Porno-graphie“[6] zu dieser Explosion im Vordergrund der westlichen Kultur, zu den positiven Antworten aus dem Zentrum der Gesellschaft (eine Akzeptanz die als Phänomen mehrmals porn-chic genannt worden ist) und zu dem „goldenen“ Zeitalter der respektierten Porno-Superproduktionen der Siebziger lief durch verschiedene Stadien, von denen drei besonders einflußreich und geschmacks- und paradigma-bildend waren.
Die exploitation movies, die in den Fünfzigern entstanden und eigentlich nicht „pornographisch“ waren, „capitalized on spectacles of sex or violence in quickly and cheaply made feature-lenght narratives“[7], und durften nicht nur legal gezeigt werden, sondern wurden dermaßen erfolgreich, daß sie mit ihren für Hollywood lächerlichen Budgets und ihrer unumstrittenen Vulgarität, die aber nicht selten nur die Hülle einer innovativen Filmphilosophie und einiger der gewagtesten Erzählungen der Filmgeschichte waren, ganz gut als einer unter mehreren Gründen für das Bröckeln des Studio-Systems angesehen werden können. Indem sie relativ offen und zweifelsohne respektlos tabuisierte Themen filmisch ansprechen durften, wenn auch nur in etwas heruntergekommenen populären Kinos, schoben diese exploitation movies die Grenze des Verbotenen weiter zu noch expliziteren Darstellungen und öffneten die Türen der Duldung des mainstream nicht nur für eine Lawine von nudies und für Subgenres wie das der Frauengefängnisfilme und das der gore movies, sondern auch für unabhängige und dezentralisierte Filmgesellschaften, für Macher von sogenanntem soft-core, und letztendlich auch für den späteren, intellektuelleren underground.
Das zweite Stadium kam Mitte der Sechziger zustande, als eine Sparte der ständig wachsenden illegalen Sex-Kurzfilm-Industrie fast durch Zufall ihren Weg in die Legalität fand: Die beavers und ihre Subkategorien zeigten nackte Frauen, die einige Minuten lang vor der Kamera strippten, onanierten oder sogar andere nackte Frauen streichelten, und sie wurden regelmäßig ab 1967 in San Francisco, und danach in immer mehr populären Kinos in ganz Amerika, als Vorfilme für exploitation movies gezeigt. Innovativ waren die beavers gewiß nicht (sie waren ja lange Zeit in genau der gleichen Form auf dem Schwarzmarkt zu finden gewesen), und selbst die billigsten exploitation movies hatten mehr von dem etwas nebligen „künstlerischen Anspruch“, der so oft von den Zensoren gefordert wird. Aber indem nicht bloß nackte Frauen (wie bei den nudies), sondern erotisch tanzende, eindeutig absichtlich sexuell erregende und vermeintlich sexuell erregte Frauen, ja sogar Lesben in Aktion, legal auf der Kinoleinwand gezeigt und gesehen werden durften (nicht zuletzt weil der Staat nicht mehr in der Lage war, die bedeutende Nachfrage nach eben dieser Art von Produkten bis ins letzte Auto-Kino Amerikas zu kontrollieren), hatte zur Folge, daß das Pornographische lediglich auf das Zeigen des erigierten Penis und der realen, zumindest in der Wahrnehmung des Publikums tatsächlich stattfindenden Penetration eingeschränkt wurde, im Gegensatz zu anderen, nach dieser Definition „nicht pornographischen“, wohl aber ausdrücklich sexuellen Darstellungen.
Die legendären Aufklärungsfilme der Fünfziger und Sechziger, und vor allem die „Dokumentarfilme“ über die Liberalisierung der Pornographie in Dänemark, die Ende der Sechziger erreicht wurde, bildeten das dritte Stadium dieses schematischen Weges der Pornographie in die Legalität, da sie ermöglichten, ausgesprochen und auch nach der infolge des Erfolgs der beavers schon eingeschränkten Definition der Tabu-Bilder pornographisches Material unter dem Vorwand der gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Relevanz im Kino zu zeigen. Verkleidet als rein berichtende Dokumente erlangten diese Filme ein viel höheres Ansehen als die beavers oder die exploitation movies und wurden sogar in Kinos der Bourgeoisie und des kleinbürgerlichen Studententums gezeigt. Eindeutig pornographische Aufnahmen von Koitussen, genitalen Organen und verschiedenen Stellungen, die teilweise aus illegalen dänischen Filmen direkt herausgeschnitten worden waren, um sie dann in Amerika und anderen zensierenden westlichen Ländern als „Filme im Film“ zu zeigen, erreichten zum ersten Mal in der Geschichte der Medien ein massives und bis zu einem gewissen Grad nicht einheitlich elitäres (also nicht nur aus erwachsenen, wohlhabenden, weißen Männer bestehendes) Publikum, von dem große Teile offensichtlich nicht abgeneigt waren, gegebenfalls weitere pornographische Bilder und Zeichen zu konsumieren.
Wichtig ist, zu verstehen, daß die Geschichte nicht teleologisch war (daß die Pornographie heutzutage schon wieder so verachtet wird wie seit dreißig Jahren nicht mehr ist an sich ein Argument, das für das nicht-lineare Verständnis dieser Entwicklung spricht), und daß viele andere verschiedene Proto-Stadien parallel liefen und sich mit diesen nicht ganz willkürlich aber, wie schon oben erwähnt, etwas schematisch begrenzten Hauptstadien oft berührten. Fundamental ist aber meines Erachtens vor allem, daß diese Stadien sowie auch die Ansichten und Bedürfnisse der Filmemacher, Schauspieler, Kinobesitzer und Konsumenten sich nicht aus der Luft heraus entwickelten: in der Tat, der wissenschaftliche Diskurs, der vorgab, immer weitere Wahrheiten und geheimnisvolle Erkenntnisse über alle Aspekte der Sexualität (inklusive „Perversionen“ [wie „Voyeurismus“] und „Pornographie“) hervorlocken zu wollen und zu können, erreichte am Ende der Sechziger und Anfang der Siebziger einen eindeutigen Höhepunkt, was eben durch die enorme Popularität der schon erwähnten Aufklärungsfilme sowie beispielsweise des etwas späteren Hite-Berichts belegt werden kann. Dieser Höhepunkt war wiederrum nur deshalb möglich, nur deshalb so beeindruckend und nur deshalb so anders als der „Höhepunkt“ der Welle solcher aktuellen deutschen Fernsehsendungen wie peep! oder Wa(h)re Liebe (um die Sexy Clips von Hamburg 1, die nur sehr schüchterne moderne beavers sind, ganz außer acht zu lassen), weil Amerika und Europa in den späten Sechziger Jahren bekanntlich eine sehr turbulente soziale Lage erlebten, die unter vielen anderen (nicht ewigen) Errungschaften ermöglichte, daß eine Frauenbewegung begründet werden konnte (daß die Tatsache der Unterdrückung der Frauen in unserer Gesellschaft von Menschen, die mit dem Marxismus nichts zu tun haben wollten, überhaupt erkannt werden konnte!), daß einige alte Werte einige Jahre lang in den Mülleimer der Geschichte gehörten (nur um in den Achtzigern mit der scheinbar paradoxen Hilfe von Teilen der Frauenbewegung [!] aus diesem Mülleimer herausgeholt zu werden), und, was mit unserem Thema unmittelbar zu tun hat, daß pornographische Filme in anerkannten Zeitschriften immer mehr rezensiert wurden, daß die Begriffe „Porno“ und „Porn“ zum ersten Mal wirklich verbreitet und von der Mehrheit der Bevölkerung mehr oder weniger deutlich verstanden werden konnten, und daß das Interesse an sexuellen Darstellungen nicht nur bei der „Regenmantel-Fraktion“ (das kleine, ausschließlich erwachsene –und in der Regel etwas ältere- männliche Publikum der illegalen Pornographie, das, wie Linda Williams schreibt, aufgrund seiner „presumed masturbatory activity under raincoats“ so genannt wurde), sondern auch in breiten Teilen der Gesellschaft (und seit 1972 auch bei Frauen) existieren konnte und legal befriedigt werden durfte.
- Die Entstehung eines Klassikers und einige Aspekte zu seiner Lektüre
Mona: The Virgin Nymph von 1970 wird heutzutage als der erste moderne pornographische Spielfilm bezeichnet, und wurde schon damals von Variety als „die lang erwartete Verbindung von Stagfilm und konventionellen Kinofilmen“ begrüßt[8]. Sein Erfolg inspirierte eine Welle von „Story-Pornos“, also von pornographischen Filmen mit einer Handlung, und machte aus John Holmes einen Star – in der Tat den bisher größten männlichen Star der Geschichte der Pornographie. Trotz dieser Akzeptanz und obwohl er eine Handlung hatte, was in den Augen nicht weniger Kommentatoren und (was meine Vermutung ist) nicht weniger Zuschauer von beavers und/oder Aufklärungsfilmen das fehlende Element in der bisherigen Pornographie gewesen war, blieb der Film aber eher ein peripherer Erfolg innerhalb der wachsenden aber immer noch winzigen Porno-Community, und verschwand (sowie die gerade erwähnte Welle, die ihm folgte) relativ schnell aus dem öffentlichen Bewußtsein, falls man überhaupt sagen kann, daß er je dort angekommen wäre.
Im Sommer 1972 erschien aber Deep Throat, der ursprünglich wohl als ein eher kleines Artifakt für den Konsum der „Regenmantel-Fraktion“ konzipiert worden war, und anfangs nur im New Mature World Theater auf der Times Square gezeigt wurde, das (wie der Name schon klarstellt) ein Kino für exploitation movies und beavers aller (und auch der billigsten und „schlimmsten“) Art war. Der Besitzer des Kinos wurde infolgedessen zweimal vor Gericht gestellt, und das Kino selbst mußte seine Türen im März 1973 schließen. Es war aber zu spät: Der Erfolg des Filmes war schon so groß gewesen, daß mehr als eine Viertel Million Menschen ihn bereits gesehen hatten, und daß es für unzählige Personen üblich geworden war, einen Ausflug vom Land in die Stadt nur aus dem Grund zu machen, um Deep Throat sehen zu können. Allerdings ist der Film einer der größten finanziellen Knaller der Geschichte, wenn man bedenkt, daß er von Gerard Damiano in sechs Tagen für nur 24.000 US Dollar gedreht wurde und weniger als ein Jahr nach seinem Erscheinen mehr als eine Million US Dollar eingespielt hatte[9]. Der Erfolg und die Akzeptanz ließen sich aber nicht nur in Zahlen messen. Nora Ephron, zukünftige Drehbuchauthorin von Hits wie When Harry Meets Sally… und Thelma & Louise, sagte einmal, daß zur Zeit des porn-chic „not to have seen it [Deep Throat] seemed somehow… derelict“ [10]. Eine verbreitete Legende besagt, daß der republikanische Vizepräsident der Vereinigten Staaten kein Hehl daraus machte, daß er den Film auf Empfehlung von Frank Sinatra, einer amerikanischen Institution, ausgerechnet im Weißen Haus gesehen hatte.
Eine Inhaltsangabe des Filmes scheint mir in diesem Kontext etwas irrelevant, da ich ja davon ausgehe, daß der Leser sich mit ihm und mit der beachtlichen Anzahl der Rezensionen über ihn gut auskennt[11]. Wichtig ist mir, auf einige besondere Merkmale des Filmes aufmerksam zu machen, die vielleicht bei dem Rezeptions-Erfolg der Zeit eine Rolle spielten. Deep Throat ist mit seiner Handlung von einer Frau, deren Klitoris aus unerklärten Gründen in ihrer Kehle ist, gewiß kein Meilenstein in der Geschichte des Drehbuchschreibens, wohl aber ein Film, der auf einem gelungenen komischen Gag basiert, und der eben durch die narrativen Umstände, die zu diesem Anfangsgag führen und sich aus ihm ergeben (die medizinische Untersuchung, die der Arzt [Harry Reems] an Linda Lovelace durchführt; die darauf folgende Behandlung der Patientin; die ständige Rede über „Perversionen“ und verschiedene sexuelle Varianten [„different strokes for different folks“]; usw.), auf der einen Seite den oben erwähnten Höhepunkt des wissenschaftlichen Diskurses über Sexualität sowohl widerspiegelt als auch parodiert, auf der anderen Seite aber auch sich selbst durch die schlichte Unmöglichkeit dieses oben erwähnten Ur-Gags (die schlichte Unmöglichkeit, daß die Genitalien einer Frau in ihrer Kehle sein könnten) von vornherein als eine Fiktion präsentiert, als eine Fabel, die nicht wörtlich interpretiert werden darf, und die nicht einmal versucht, der Realität oder der Wahrscheinlichkeit überhaupt treu zu sein, geschweige denn ein Vorbild oder eine Anleitung für eine angeblich erwünschte schlechte Behandlung der Frauen durch Männer, wie der zensierende Teil des Feminismus in seiner Skolastik gern hätte.
Die Betonung des fiktiven Charakters der Pornographie wird (obwohl dieser Charakter eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte) dadurch nötig, daß die öffentliche Meinung unserer Zeit von der reaktionären Hysterie gegen die filmischen „Vergewaltigungen“ (d. h. eigentlich bloß „expliziten sexuellen Darstellungen“) auf-grund entweder ihrer „unästhetischen“, nicht „künstlerischen“ Grobheit (ist ja „nur“ Sex) oder ihres vermuteten inhärenten „Wahrheits-“ und „Gewaltsgehalt“ porno-graphische Filme auf lächerliche Weise nicht selten als Pseudo-Dokumentarfilme versteht. Der Pornographie wird oft vorgeworfen, nicht nur keine „gute“ Kunst, sondern die Verfilmung, die vermeintlich hyperreale Dokumentierung der „Gewalt“ (d. h. eigentlich in den meisten Fällen bloß „Sex“) zu sein. Selbst Akademiker müssen zum Beispiel folgendes schreiben, wenn sie sich an ein von vornherein aus Intellek-tuellen und Literatur- und Medienwissenschaftlern bestehendes Publikum wenden, um mögliche Unklarheiten zu beseitigen: „However, this should not mislead us into believing that hardcore is the more ‘realistic` genre. For one thing, it is very difficult to film the close tangle of sexual activity so that the viewer can see exactly what is happening. The technical artifice is just as great in hardcore as in, say, horror films“[12].
Daß die Handlung Deep Throats auf der Geschichte einer Frau auf der Suche nach ihrer Klitoris basiert ist an sich ein Zeichen davon, daß der Film sich mit der neuen Realität der sich emanzipierenden Frauen am Anfang der Siebzieger beschäftigt. Weiterhin: daß dieselbe Frau tatsächlich in der Lage ist, ihr Glück zu finden, indem sie ihren Körper und ihre Bedürfnisse kennenlernt und infolgedessen ihrem Traummann (dem ganz bewußt selbst-parodisch als perversen Voyeur beschriebenen Wilbur) ganz offen ihre Bedingungen stellt (nämlich, daß sein Penis mindestens neun Inches lang sein muß), scheint schon auf den ersten Blick sehr weit davon entfernt zu sein, einer frauenfeindlichen Intention zu entsprechen. Und das auch obwohl Linda Lovelace sich gleich nach der ersten Fellatio, die sie an dem Arzt unternimmt, und dem daraus folgenden Orgasmus, den sie erlebt, und der als Beweis für ihre physiologische „Besonderheit“ dient, als „Sklavin“ für ihn anbietet. Denn später kommt es ja dazu, daß derselbe Arzt (der übrigens ihr Angebot ablehnt und sie lieber als „sexuell-wissen-schaftliche“ Mitarbeiterin anstellt, sie also lieber im Arbeitsmarkt [wenn auch als Untergebene] integriert als sie bloß sexuell ausnutzen) seiner Rolle als Macho nicht mehr gerecht werden kann, und mit einem verwundeten Penis im Bett liegen muß, während die Frauen, und besonders Linda Lovelace, noch in der Lage sind, das Glück zu suchen und ihm immer näher zu kommen.
Um das alles klarer auszudrücken: Der Film zeigt uns eigentlich, wie die Figur Linda Lovelaces nur eine Art „Erleuchtung“ gebraucht hat, also ihr Bewußtsein erweitern und infolgedessen selbstsicher werden mußte, um das sexuelle (als Metapher für das individuelle, menschliche) Glück erleben zu können und dabei auch andere „perverse“ Abweichende, die der Macho-Rolle und deshalb den traditionellen Gender-Konstruktionen nicht entsprechen, wiederrum glücklich machen und befreien zu können. Wer auf der Strecke bleibt, ist eben der Wissenschaftler, der die Kontrolle haben und alles vermessen will, und der am klarsten die traditionelle „männliche“ Figur im Film darstellt: der Arzt.
Ein weiterer wichtiger Punkt, der die angebliche Frauenfeindlichkeit des Films als Vertreter der Pornographie widerlegt, ist der naive und nichtsdestotrotz ehrenvolle Versuch des Regisseurs, den money shot durch Bilder von Feuerwerken, Raketenabschüssen oder läutenden öffentlichen Uhren zu ergänzen, um weitere mögliche visuelle Symbole neben der schon konventionellen gefilmten biologischen Reaktion des Mannes beim Orgasmus als Ersatz für die „geheimnisvollen“ und unsichtbaren weiblichen Orgasmen anzuwenden. Denn dieser Versuch zeigt, daß der Regisseur Damiano sich mehr oder weniger der Einseitigkeit des männlichen Blicks und der männlichen Repräsentation der weiblichen Sexualität bewußt war, und diese männlichen „Grenzen“ teilweise überwinden wollte.
- Außerhalb des Textes: zur Biographie Linda Lovelaces
Das heißt nicht, daß Deep Throat von nun an als ein feministischer Film betrachtet werden soll. Aber ihn als ein offenes Plädoyer für das Patriarchat und seine instrumentalisierte Vergewaltigung zu dämonisieren ist, im besten Fall, simplifizierend und mehr als diskutionsbedürftig. Nicht selten wird aber auch von den Zensur-befürworterinnen unter den Feministinnen behauptet, daß die bloße Tatsache, daß so ein Film gedreht werden konnte, beweist, daß entweder früher oder spätestens dabei (beim Drehen) die Vergewaltigung einer Frau stattfand, und daß alles, was diese Frau im Film macht, unter physischem Zwang zustandegekommen sein muß. Diese These hat mit der oben erwähnten „Dokumentarisierung“ der Pornographie seitens vieler ihrer Kritiker gemeinsam, daß sie davon ausgeht, daß viele der sexuellen Darstellungen keine Darstellungen sind, sondern Vergewaltigungen, die unmittelbar vor der Kamera ausgeführt wurden. Die These ist aber auch weitgehender und umfassender, weil selbst wenn ihre Verfechter dazu bewegt werden können, den fiktiven Charakter der überwiegenden Mehrheit der pornographischen Texte (und zweifelsohne der Ganzheit der pornographischen Spielfilme der Siebziger) anzuerkennen, ihnen übrig bleibt, auf die „Gewaltausübung“ und „Vergewaltigungen“ hinzuweisen, die ihrer Meinung nach gerade zur Verfilmung und unwürdigen Kommerzialisierung/Fiktionalisierung der sexuellen Taten geführt haben sollen. In der Tat, das Leben Linda Machianos (deren künstlerischer Name eben „Linda Lovelace“ war), Hauptdarstellerin von Deep Throat, wird von Anti-Pornographie-Fanatikern als das paradigmatische Beispiel dieses Zwang, unter dem angeblich alle Porno-Darstellerinnen leiden, benutzt. Weil das auch ein Argument ist, das oft gegen Deep Throat (auch wenn es mit dem Film als fertiges Produkt oder als Text wenig zu tun hat) mobilisiert wird, ist es wichtig, kurz darauf einzugehen.
In ihrem Buch Ordeal von 1980 beschreibt Machiano allerdings die schreckliche physische und psychologische Art und Weise, auf die sie jahrelang, und eben auch zu Anfang der Siebziger, von ihrem Mann Chuck Traynor misshandelt wurde. Wie Nadine Strossen in Defending Pornography aber schreibt, ist der direkte Zusammenhang zwischen dieser höchstwahrscheinlich echten und zweifelsohne verachtenswerten Misshandlung und Deep Throat ein Mythos. Abgesehen davon, daß Chuck Traynor keine frühere Kontakte zur Porno-Industrie hatte, bevor er (nach damals schon langjähriger Brutalität) Machiano einen Arbeitsplatz in ihr (als Hauptdarstellerin in Deep Throat) verschaffte, wird von ihr selbst in ihrem Buch deutlich gemacht, daß sie von den Personen, die beim Drehen dieses Films beteiligt waren, nicht schlecht behandelt und sogar in keiner Weise gezwungen wurde, Sachen zu tun, die sie nicht tun wollte: „Something was happening to me, something strange. No one was treating me like garbage… We laughed a lot that first day of shooting… And no one was asking me to do anything I didn’t want to do“[13].
Es scheint eigentlich keine Übertreibung zu sein, wenn man die Geschichte Machianos eher so zusammenfasst (basierend auf dem autobiographischen Text, den sie selbst schrieb und der von Pornographie-Gegnern bewußt trügerisch interpretiert und eingesetzt wird), daß sie der entsetzlichen Misshandlung, die sie seitens ihres Mannes lange Zeit erlebte, eben durch den Erfolg Deep Throats und ihrem daraus resultierenden Star- und Kult-Status entkommen konnte, sowohl finanziell als auch psychologisch (da sie in einer freundlichen Atmosphäre, in der keiner sie physisch zu irgend etwas gezwungen hatte, ihr Talent beweisen und infolgedessen selbstbewußter werden konnte), und daß sich für sie dann die Arbeit bei Deep Throat, zu der sie am Anfang gezwungen wurde, gleichzeitig als befreiend erweisen sollte. Die Tatsache, daß sie jahrelang weiter in der Porno-Industrie arbeitete, auch nachdem sie sich von Chuck Traynor getrennt hatte, bekräftigt nur diese Lektüre, die der der zensurbefürwortenden Feministinnen absolut entgegengesetzt und mit ihr eigentlich unversöhnlich ist[14].
- Schluß
Wie jeder andere kulturelle und künstlerische Text soll Deep Throat nicht als unabhängig von seiner Zeit und Tradition betrachtet werden, und der, der ihn wenigstens teilweise und als ein Experiment in Sachen Rezeption so sehen will, wie er 1972 gesehen wurde, muß sich erstmal bewußt mit den Vorurteilen auseinandersetzen, die jahrelange Kampagnen gegen Pornographie und sexuelle Freiheiten als Selbstverständlichkeiten in unserer Zeit verankert haben. Nur dadurch, daß man die Augen offen hält, oder überhaupt erstmal öffnet, ist es zum Beispiel möglich, Schönheit und Rebellion in vielen dämonisierten Orten und Momenten der Filmgeschichte zu entdecken, zu denen Deep Throat als einer der merkwürdigsten anerkannten Klassiker dieser Geschichte aufgrund seines Genres auch gehört. Auch wenn diese Hausarbeit vielleicht irgendwo zwischen Polemik und Analyse bleiben mußte, was ich in der Einleitung vergeblich zu rechtfertigen versuchte, und deshalb etwas unfertig wirkt, ist meine Hoffnung, daß ein gewisser Enthusiasmus für den behandelten Film und für einige Merkmale des kurzlebigen Moments, in dem er populär werden konnte, sowie meine Position gegenüber bestimmten ideologischen „Wahrheiten“ unserer heutigen Gesellschaft, die eigentlich gar nicht wahr und nicht einmal respektabel (und zum Glück auch nicht unveränderbar) sind, dem Leser nicht entgingen, und vielleicht sogar reflektierungswürdig und nicht ganz unwichtig, wenn schon vielleicht etwas unklar formuliert, erscheinen.
[1] Für eine Analyse der Entstehung dieses Gesetzes sowie eine mikroskopische Anklage gegen die sophistische Argumentationsweise seiner Anhänger und die aggressive Pressefreiheitseinschränkung, zu der es in Kanada geführt hat, siehe Strossen, Nadine – Defending Pornography – Free Speech, Sex, and the Fight for Women’s Rights – New York 1996, insbesondere S. 217-246. Andere schreckliche „Nebenwirkungen“ der Anti-Pornographie-Kampagne werden das ganze Buch hindurch im Detail kommentiert, und die manchmal brillianten, wenn auch manchmal zu juristischen Gegenargumente Strossens waren für mich von großer Wichtigkeit bei dem Verfassen dieser Arbeit.
[2] Und das wird nicht nur durch die Kenntnis der historischen Funktion des Staates in kapitalistischen Gesellschaften und durch bloße Intuition bewiesen, sondern beispielsweise auch durch die tragikomische Anekdote, daß selbst Bücher Andrea Dworkins, einer der bekanntesten zensierenden Feministinnen Amerikas, die sogar frühe Entwürfe der kanadischen Anti-Pornographie Legislation mitschrieb, nach der Einführung eben dieses Gesetzes in Kanada verboten wurden (Strossen, op. cit., S. 237-238).
[3] Linda Williams ist in Hard Core – Power, Pleasure, and the „Frenzy of the Visible“ – Berkeley 1989 (die bisher beste umfassende Studie der Geschichte des pornographischen Films) besonders überzeugend bei dem Vergleich des „klassischen“ pornographischen Genres der Siebziger mit dem guten alten Musical (siehe vor allem Kapitel 5: „Generic Pleasures: Number and Narrative“). Ich gebe aber trotzdem zu, daß diese zweite These bis zum Ende der Achtzigerjahre nicht formuliert worden war, aber der phänomenale Erfolg von Deep Throat bei Männern und Frauen, bei Intellektuellen und Laien, bei Porn-Aficionados und schicken Dilettanten zugleich läßt mich vermuten, daß dieser narrative –ja künstlerische- Wert des Filmes schon 1972 relativ bewußt anerkannt, wenn nicht unbedingt bis zur letzten logischen Konsequenz kritisch bearbeitet, worden war. Xavier Mendick hat, in seinem Artikel „From ‚Trick‘ to ‚Prick‘ – Porn’s Primitive Pleasures“ (in Black, Andy [Hrsg.] – Necronomicon – Book One – London 1996, S. 102-108), versucht, den pornographischen Film mit dem frühen Stummfilm zu vergleichen.
[4] Siehe Seeßlen, Georg – Der pornographische Film – Berlin 1990, bei den Illustrationen.
[5] Die come shots und die Darstellung der weiblichen Sexualität können ja als sehr komplizierte Repräsentationen verstanden werden, deren Bedeutungen weit davon entfernt sind, sexistische Impulse zu fördern oder „nur“ über Sex zu sein. Um nur eine mögliche Denkweise vorzustellen, die freilich als nicht definitiv zu sehen ist (und die teilweise das, was ich als Argumente für den money shot als progressive, wenn auch vielleicht gescheiterte, künstlerische Ressource, geschrieben habe, relativiert), möchte ich jetzt aus dem Artikel „Looking at Women – Notes Toward a Theory of Porn“ von Gary Day zitieren: „There is a strong case to be made here that what the female body signifies [in pornography] is not femininity but male desire, in so far as it is presented as aggressive and insatiable, qualities normally associated with men. […] The irony of all this for pornography is that female sexuality, which it ostensibly shows, parades and displays, is in fact the very thing that pornography represses. What it instead reveals is male desire desiring to be desired by male desire. Pornography thus has a narcissistic quality –the voyeur is simply looking in a mirror to confirm his desire- and the ubiquity of male desire indicates that beneath the heterosexual surface there may be a homosexual core“ (Artikel in Day, Gary und Bloom, Clive [Hrsg.] – Perspectives on Pornography – Sexuality in Film and Literature – New York 1988 – S. 83-100 [zitiert aus S. 88-89 und 92-93]).
[6] Und hier benutze ich die Anführungszeichen deshalb, weil dieser „Weg“ ganz klar auch aus „eigentlich“ nicht-pornographischen Texten besteht, wie die exploitation movies. An dieser Stelle muß ich auch sagen, daß meine Beschreibung dieses „Weges“ im großen und ganzen lediglich eine zusammenfassende Wiedergabe der Geschichtsschreibung Linda Williams, op. cit., S. 96-99, bis hin zum Begriff „Weg“ (im Original „route“) ist.
[7] Linda Williams, op. cit., S. 96.
[8] Siehe Seeßlen, op. cit., S. XX.
[9] Deep Throat war sogar einer der zehn meist-gesehenen Filme des Jahres (aus Thomas, Joe A., “Gay Male Video Pornography: Past, Present, and Future“, in Weitzer, Ronald [Hrsg.] – Sex for Sale – Prostitution, Pornography, and the Sex Industry – New York 2000, S. 49-66 [Deep Throat wird eher beiläufig auf S. 52/62 erwähnt]).
[10] Für andere Anekdoten siehe
[11] Siehe zum Beispiel Williams, Linda, op. cit., S. 110-112; oder auch Sesslen, XXX, op. cit., S. XXX.
[12] Aus dem Aufsatz “Feature-length Sex Films” von Anthony Crabbe, in Day, Gary und Bloom, Clive (Hrsg.), op. cit., S. 44-66 (Zitat aus S. 54-55).
[13] Zitiert aus Strossen, Nadine, op. cit., S. 183.
[14] Weil diese Arbeit eigentlich nur die Erörterung verschiedener Aspekte des Filmes Deep Throat als Ziel hat, werde ich darauf verzichten, im Haupttext darauf aufmerksam zu machen, daß, selbst wenn das Leben Machianos/Lovelaces so gewesen wäre, wie die Pornographie-Gegner das gerne hätten, diese Tatsache nicht im geringsten einen Beweis dafür wäre, daß Pornographie im allgemeinen auf einem für eine kapitalistische Gesellschaft außerordentlichen Zwang basiert. Wie Strossen (op. cit., S. 185) schreibt: „For every Linda Lovelace who was coerced to perform a pornographic work, there is a Nina Hartley, who proclaims herself to be an exhibitionist; a Veronica Vera, who celebrates the personal growth she experienced through performing in porn films; a Candida Royalle, who proudly declares that she produces pornography ´from a woman’s point of view`; and countless others“.
- Verzeichnis der benutzten Literatur
- Black, Andy [] – Necronomicon – Book One – London 1996
- Day, Gary und Bloom, Clive (Hrsg.) – Perspectives on Pornography – Sexuality in Film and Literature – New York 1988.
- Gibson, Pamela Church und Gibson, Roma (Hrsg.) – Dirty Looks – Women, Pornography, Power – London 1993.
- Kappeler, Susanne – The Pornography of Representation – Cambridge 1986.
- Seeßlen, Georg – Der pornographische Film – Berlin 1990.
- Seeßlen, Georg – Erotik – Ästhetik des erotischen Films – Marburg 1996.
- Soble, Alan – Pornography – Marxism, Feminism, and the Future of Sexuality – New Haven 1986.
- Strossen, Nadine – Defending Pornography – Free Speech, Sex, and the Fight for Women’s Rights – New York 1996.
- Weitzer, Ronald (Hrsg.) – Sex for Sale – Prostitution, Pornography, and the Sex Industry – New York 2000.
- Williams, Linda – Hard Core – Power, Pleasure, and the „Frenzy of the Visible“ – Berkeley 1989.
- Smith, Richard – “Linda Lovelace: The Blue-Ing of America”, aus Smith, Richard – Getting Into Deep Throat – New York 1973 – nachgedruckt bei Mast, Gerald (Hrsg.) – The Movies in our Midst – Documents in the Cultural History of Film in America – Chicago 1982.
(Crédito de imagen de thumbnail: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Deep_throat_PD_poster.jpg. Crédito de imagen de inicio de post: http://werewolf.co.nz/2010/10/milestone-movies-deep-throat-1972/).
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